Leseprobe

D WANDERN Sächsische Schweiz, Tharandt & Kriebstein Frank Richter MIT FRIEDRICH

Inhalt 4 Vorwort 5 Kurzbiografie 6 Wandern mit Caspar David Friedrich. Eine Einführung 9 Friedrichs frühe Wanderungen in Sachsen 10 Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 13 Lohmen 13 Liebethaler Grund 19 Motive aus dem Liebethaler Grund 25 Der Blick zum Hohen Schneeberg 29 Uttewalder Grund 37 Wehlen 40 Im Rathener Gebiet 43 Caspar David Friedrich in Rathen 52 Gamrig 55 Feldstein 58 Kleine Gans 60 Amselgrund, Honigstein und Amselhöhle 66 Basteiaussicht und Felsentor Neurathen 68 Hohnstein und Umgebung 75 Zur Einstimmung 78 Im Polenztal I 80 Friedrichs Pflanzenstudien 83 Friedrich besucht den Schindergraben 90 Zwischen Hohnstein und Brandaussicht 94 Der Tiefe Grund 100 Im Polenztal II

106 Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 109 Caspar David Friedrich in Krippen 112 Die Krippener Zeichnungen 114 Steinbrüche 116 Baumstudien I 118 Felsstudien 131 Der Wanderer über dem Nebelmeer 133 Baumstudien II 135 Friedrichs Verwendung von Baum- und Felsstudien der Krippener Zeit 138 Zwei Männer in Betrachtung des Mondes 140 Ergänzungen 142 Friedrich und Schandau 146 Zwischen Tharandt und Kriebstein 148 Der Plauensche Grund und Tharandt 160 Felsstudien 164 Caspar David Friedrich auf dem Weg nach Meißen 168 Meißen mit der Klosterruine Heilig Kreuz 175 Erinnerung an Scharfenberg 176 Nossen und Altzella 180 Unterwegs im Umfeld von Hainichen 182 Burg Kriebstein und die Steinbogenbrücke bei Pappendorf 187 Anmerkungen 189 Literatur 190 Abbildungsnachweis 191 Impressum

4 Vorwort Das Leben und künstlerische Schaffen des romantischen Malers Caspar David Friedrich sind eng mit Dresden und der Landschaft in der Umgebung der Stadt verbunden. Auf ausgedehnten Wanderungen fand der Künstler seine Motive und hielt sie in Zeichnungen fest. Insbesondere die Sächsische Schweiz mit ihren einzigartigen Felsmassiven zog ihn an. Die Sehnsucht jene Orte wiederzufinden, an denen der Künstler gestanden und gezeichnet hat, ist getrieben von der Vorstellung, es würde sich dort Landschaft ganz unmittelbar wie bei ihm erleben lassen. Seit über zwanzig Jahren erforscht Frank Richter die Wanderwege Caspar David Friedrichs. Dabei hat er zahlreiche Motive seiner Zeichnungen verorten können, bei denen der Standpunkt des Künstlers lange nicht bekannt war. Er konnte durch die dargestellten Gebirgszüge, Datierungen der Zeichnungen und darauf festgehaltenen Notizen Friedrichs die Stationen seiner Reisen nachvollziehen. Zum Teil konnte Richter dabei auf Forschungen Karl-Ludwig Hochs zurückgreifen, der sich aber hauptsächlich mit Friedrichs Böhmischen Wanderungen beschäftigt hatte. Oder er stand im Austausch mit Forschenden, wie Gerd Englick in Krippen, die durch ihre lokale Verbundenheit die entsprechenden Wege und Felsformationen ihrer Heimat gut kannten. Durch seine langjährige Tätigkeit als Pressesprecher des Nationalpark Sächsische Schweiz und seine gemeinsamen Klettertouren mit Bernd Arnold ist Frank Richter die Region bis ins Kleinste vertraut. Deshalb waren wir sehr glücklich, dass wir Frank Richter gewinnen konnten, aus seinen Forschungen einige Wanderrouten zusammenzustellen, auf denen wir auch heute noch Caspar David Friedrich folgen und jene Orte erkunden können, die ihn inspiriert haben. Unsere Ausstellung zum 250. Geburtstag des Künstlers (»Caspar David Friedrich. Wo alles begann«, Albertinum 24. August 2024–5. Januar 2025, Kupferstich-Kabinett 24. August– 17. November 2024) beschäftigt sich intensiv mit der Verortung seiner Motive und fragt nach den Anregungen, die er in der Natur und auf seinen Wegen im sächsischen Umfeld Dresdens erfahren hat. In erster Linie ist dieses Buch ein Kunstführer, der Sie an die Orte führen soll, die Ausgangspunkt für Friedrichs künstlerisches Schaffen waren. Durch Abbildungen seiner Werke, vor allem der Zeichnungen, aber auch einiger Gemälde in einem handhabbaren Format bietet sich hier die Möglichkeit eines direkten Vergleichs vor Ort. Sie wird unterstützt durch viele fotografische Aufnahmen Frank Richters, die helfen, die Berge und Aussichten in die Landschaft in ihrem Wandel nachzuvollziehen. Dabei verzichten wir weitgehend auf die praktischen Hinweise, die für die Planung von Wanderungen notwendig sind, die aber auf individuelle Bedürfnisse abgestimmt sind. Die entsprechenden Informationen verändern sich oft und lassen sich heute besser über digitale Medien recherchieren. Wir empfehlen deshalb eine Anpassung der vorgeschlagenen Wege im Abgleich beispielsweise mit geläufigen Wander-­ Apps. Für diejenigen, die sich nur an einige besondere Orte begeben wollen, die von herausragender Bedeutung für Friedrichs Werk sind, sei der Felsen an der Kaiserkrone (S. 128) empfohlen, der über einen kurzen Fußweg zu erreichen ist. Das gleiche gilt für den Stein am

 5 Püschelweg am Rand von Krippen (S. 139), auch dieser Ort ist zu Fuß schnell zu erreichen. Einen Ausblick, wie Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer in Richtung Rosenberg und Zirkelstein lässt sich am Wolfsberg (S. 128) direkt mit dem Auto ansteuern. Aber grundsätzlich wollen wir Sie für das Wandern begeistern, der langsamen Erkundung der Landschaft, der Erfahrung von Distanzen und Zeit, die zur romantischen Weltsicht gehören und auch heute noch in der Sächsischen Schweiz erlebbar sind. Wir danken der Sparkassen-Finanzgruppe, die sich seit 2006 für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden als Hauptsponsor engagiert und auch diesen Wanderführer unterstützt hat. Die Förderung erfolgt in einer Partnerschaft der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, des Ostdeutschen Sparkassenverbandes mit allen sächsischen Sparkassen, der LBS Landesbausparkasse NordOst AG und Landesbank Baden-Württemberg, der SparkassenVersicherung Sachsen, der DekaBank Deutsche Girozentrale sowie des Sparkassen-­ Kulturfonds des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Petra Kuhlmann-Hodick, Kupferstich-Kabinett Holger Birkholz, Albertinum Gerhard von Kügelgen —Caspar David Friedrich Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett 1774 in Greifswald geboren — 1790 erster Zeichenunterricht — 1794–1798 Studium in Kopenhagen — 1798 Übersiedlung nach Dresden — 1799 erste Wanderungen in die Sächsische Schweiz — 1801/02 längerer Aufenthalt auf Rügen — 1802 wieder in Dresden — 1806 Rügenreise — 1807 Reise nach Nordböhmen — 1809 Reise nach Greifswald — 1810 Riesengebirgswanderung — 1811 Harzwanderung — 1813 kriegsbedingter Aufenthalt in Krippen 1815 Reise nach Greifswald — 1818 Heirat, Hochzeitsreise nach Greifswald und Rügen — 1824 schlechter Gesundheitszustand — 1826 Kuraufenthalt auf Rügen 1828 Reise nach Teplitz — 1835 Schlaganfall und Lähmung der rechten Hand, Kuraufenthalt in Teplitz — 1840 in Dresden gestorben, auf dem Trinitatisfriedhof begraben

6 Wandern mit Caspar David Friedrich. Eine Einführung Caspar David Friedrich ist der bedeutendste Landschaftsmaler der deutschen Frühromantik. Nach seinem Studium in Kopenhagen ging er nach Dresden, wo er bis an sein Lebensende lebte. Im Atelier am Altstädter Elbufer schuf er seine bekanntesten Werke. Immer wieder brach er zu großen Wanderungen auf, bei denen er über eintausend Naturstudien zeichnete. Seine engen Beziehungen zur Sächsischen Schweiz lassen sich noch heute anhand vieler Skizzen und einiger Gemälde nachweisen. Er wanderte mehrfach auf dem heute so genannten historischen Malerweg. Anregungen erhielt er von Adrian Zingg und Johann Philipp Veith. Allerdings fühlte er sich nicht der Vedutenmalerei verpflichtet, sondern ging völlig andere Wege. Seine Naturstudien verwendete er, nachdem er seinen unverwechselbaren Stil gefunden hatte, in frei komponierten Landschaftsgemälden, die realen Landschaften zwar zu entsprechen scheinen, jedoch als eigene Erfindungen meist Sinnbilder für seelische Zustände sind. Unter den Gemälden, die die Felsenlandschaft der Sächsischen Schweiz thematisieren, ragen der berühmte Wanderer über dem Nebelmeer und Zwei Männer in Betrachtung des Mondes heraus. Ihre Spuren kann man in der Sächsischen Schweiz erwandern und entdecken. Für Friedrich hatte das kleine Fischerdorf Krippen eine besondere Bedeutung. 1813, in der bedrückenden Kriegszeit, fand er von März bis etwa November dort eine Unterkunft bei Verwandten eines Dresdner Freundes. 25 Zeichnungen enthielt das Skizzenbuch, das Friedrich bei diesem Aufenthalt verwendete. Heute ist es aufgelöst und die Blätter befinden sich in verschiedenen Sammlungen. Um Friedrichs frühe Spuren in seiner sächsischen Wahlheimat zu verfolgen, werfen wir auch den Blick auf die Orte, die er in den ersten beiden Dresdner Jahren besucht hat: Tharandt mit dem Plauenschen Grund, Meißen, Nossen, Hainichen und Kriebstein, um nur die wichtigsten zu nennen. Wenn Friedrich auch dorthin zu Fuß unterwegs war, so wird heute wohl niemand mehr auf die Idee kommen, diese Orte per Fuß zu erwandern. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall. Da dieser Kunstführer Friedrichs sächsischen Landschaften gewidmet ist, werden seine Ostseereisen und die Wanderungen in Nordböhmen und im Riesengebirge nicht behandelt. Wobei allerdings die frühen Rügenwanderungen höchst bedeutend sind, denn hier fand Friedrich seinen auf das Wesentliche zielenden Zeichenstil, der reduziert erscheint und doch alles erfasst, worauf es ihm ankam. Dieser Kunstführer, der anlässlich Friedrichs 250. Geburtstag erarbeitet wurde, soll anregen, auf seinen Spuren zu wandern und seine Motive zu entdecken. Dabei werden wir feststellen, dass die Landschaft uns heute noch ebenso faszinieren kann, wie den Maler in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – trotz aller Veränderungen, die die Landschaft und Orte erfahren haben. Sein Blick auf die Natur kann uns Einblicke eröffnen, die uns zum Kern unseres Selbst führen. Wenn wir wissen, dass seine Gemälde in aller Regel Erfindungen sind, in die er seine Studien von Bäumen, Steinen, Felsen und sogar Gebäuden hineinsetzt, scheinbar willkürlich und ohne jede Beschränkung, dann stellt sich die Frage, nach dem Wahrheitsgehalt seiner Studien.

Wandern mit Caspar David Friedrich. Eine Einführung 7 Betrachten wir seine Skizzen – sie sind meist mit Bleistift oder auch mit der Feder gezeichnet –, dann scheinen manche flüchtig hingeworfen, manche dagegen präzise ausgeführt. Offensichtlich hat Friedrich die Skizzen nicht planlos gesammelt. Oftmals hatte er schon den Verwendungszweck im Sinn. Die Fichten des Tetschener Altars hat er ganz bewusst und konkret für dieses Bild gezeichnet. Auch eigenhändige Notizen auf seinen Studien, wie »Horizont« oder »von unten«, bestimmte Markierungslinien, Angaben über Lichteinfall oder Farben und vor allem Zahlen als Entfernungsmaß zeigen an, dass er weiteres mit den Skizzen im Sinn hatte. Sicher nicht mit allen. Manche der Motive sind aus ungewöhnlicher Sicht gezeichnet. Manchmal sperrt sich unsere heutige Seherfahrung, die meist auf das Spektakuläre gerichtet ist, gegen Friedrichs Blick. Eines sollte uns klar sein, er war immer genau und präzise, wenn er zeichnete. Die Freiheit, die er sich beim Komponieren seiner Gemälde nahm, darf man beim Zeichnen nicht auch annehmen. Wenn wir ein Motiv in der Natur nach Friedrichs Zeichnung nicht erkennen, dann ist es auch nicht das, was er dagestellt hat. »Mit eigenen Augen sollst du sehen, und, wie dir die Gegenstände erscheinen, sie treulich wiedergeben; wie alles auf dich wirkt, so gib es im Bilde wieder. Beobachte die Form genau, die kleinste wie die große, und trenne nicht das Kleine vom Großen, wohl aber vom Ganzen das Kleinliche.«1 So Friedrich selbst. Wollen wir seine Zeichnungen lokalisieren, dann ist eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der Zeichnung und dem Naturgegenstand zu suchen. Ist man unsicher, dann ist meist das Gesuchte noch nicht gefunden. Besonders schwierig ist es bei skizzierten Panoramasichten, wo er aus einem weiten Blick einen Ausschnitt gewählt hat, der ihn interessierte, ohne dass wir wissen, was er darin sah. Friedrichs Satz »Nichts ist kostbarer als der Blick auf eine Landschaft, die sich nach allen Seiten öffnet.«2 deutet seine Sehweise an. Je sparsamer die Linien werden, um so tiefer zeigt sich darin der Grad der Verinnerlichung. Entziehen sich auch manche Zeichnungen bis heute der Lokalisierung, so werden beim Suchen des Motives der Blick geschärft und die Sinne geweckt. Wir betrachten die Natur intensiver, Friedrich lehrt uns ein neues Sehen der Natur. Max Liebermann hat sich bei der Betrachtung von Naturskizzen Rembrandts zum Naturstudium generell geäußert: »Für den Wert von Landschaftsskizzen sei es ganz gleichgültig, zu wissen, wo sie entstanden, ob es Erfindungen der Phantasie seien, oder ob sie aus der Naturanschauung entstanden. Für die ästhetische Erkenntnis jedoch ist es von unschätzbarem Wert, das Original, nach dem der Künstler gearbeitet hat, zu kennen. Denn der Vergleich mit der Natur lehrt uns, worin die ›Kunst‹ des Künstlers besteht: Er liefert uns den Beweis ad oculos für die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Resultate des methodischen Denkens über sein Verhältnis zur Natur.«3

Übersichtskarte Sachsen. Übersichtskarte des Gebietes westlich von Dresden. 0 10 20 30 40 50 km Orte die mit Caspar David Friedrich in Beziehung stehen Děčín/Tetschen Ústí/Aussig Litoměřice/Leitmeritz Mělník/Melnik PRAG Teplice/ Teplitz

Caspar David Friedrichs frühe Wanderungen in Sachsen 9 Kommentar zur Übersichtskarte Sachsen In der Übersichtskarte von Sachsen sind die Orte rot markiert, die Friedrich besucht hat, was sich anhand von Zeichnungen bzw. Briefen belegen lässt. Die Wanderungen nach Nordböhmen und in das Riesengebirge sind hier nicht berücksichtigt. Es werden hier ausschließlich die frühen Wanderungen in Mittelsachsen behandelt. Kommentar zur Übersichtskarte westlich von Dresden Auf der Karte sind die Orte dargestellt, die Belege für Friedrichs Besuch bieten. Auch wird deutlich, dass es sich vorwiegend um Flusslandschaften handelt. Es ist nicht möglich, die Felshänge und Steinstudien, die in den beiden Berliner Skizzenbüchern abgebildet sind, mit Sicherheit zuzuordnen. Die deutlichsten Übereinstimmungen kann man noch heute im Plauenschen und im Rabenauer Grund feststellen. Aber letzte Gewissheit gibt es nicht. Auch ist auffallend, dass Friedrich im Untersuchungsgebiet eine Reihe von Brücken gezeichnet hat. Hier ist die Situation ähnlich schwierig. Meist sind es zwar Steinbrücken, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie noch heute existieren. Aber welche Veränderungen sie durch Hochwasser und Umbauten erfuhren, ist nicht immer erkennbar. Somit sind die Zuordnungen von Friedrichs Zeichnungen zur heutigen Wirklichkeit schwer bis kaum möglich. Ein besonderer Glücksfall war die Entdeckung der historischen Steinbrücke über die Große Striegis bei Pappendorf. Caspar David Friedrichs frühe Wanderungen in Sachsen Friedrichs frühe Wege in Sachsen zu verfolgen ist zwar in groben Zügen möglich, stößt jedoch im Detail oft auf unüberwindliche Hindernisse. Das liegt hauptsächlich daran, dass er seine Natur- und Landschaftsstudien zwar meist mit dem Datum versehen hat, aber kaum mit Ortsangaben. Wenn eine Landschaftsstudie nicht ein charakteristisches Erkennungsmerkmal aufweist, ist eine Lokalisierung selten möglich. Hinzu kommen die landschaftlichen und baulichen Veränderungen der vergangenen 200 Jahre, die oft gravierend sind. Ein interessanter Hinweis zu Friedrichs früher Reisetätigkeit steht in einem Brief an Johan Ludvig Lund (1777–1867) vom September 1800.4 Lund hatte mit ihm in Kopenhagen studiert. Sie wohnten zusammen in Dresden, bis der Freund im August 1800 nach Paris ging. Friedrich erwähnte im Brief die Orte, die er gerade besucht hatte: Meißen, Nossen, Waldheim, Hainichen und Freiberg. Und er verwies auf H. (Hainichen), wo er offensichtlich ein Mädchen kannte, was Lund wusste. Wir können annehmen, dass Friedrich bereits vorher in Hainichen gewesen sein müsste.

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen Abb. rechts: Im Liebethaler Grund bei der Kaskade

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 11 Wanderroute Die Wanderung beginnt bei Hinterjessen, führt durch den Liebethaler Grund bis zur Lochmühle, wo uns der Weg hinauf nach Mühlsdorf leitet. Nächstes Ziel ist der Waldrand des Liebthaler Wäldchen (Fahrstraße). Der Weiterweg (gelber Strich) führt zur Försterbrücke, um die Wesenitz und anschließend die Straße zu überqueren. Durch Felder (gelber Strich) führt der Weg nach Lohmen zur »Hohle«. Auf dem Brückwaldweg wandern wir in den Schleifgrund, an den sich der Uttewalder Grund anschließt. Dieser und der folgende Wehlener Grund führen nach Stadt Wehlen. Den Weg zur Elbe nehmen wir über den Burgberg mit der alten Burgruine. An der Elbe endet die Wanderung (Fährverbindung zum Bahnhof). Gesamtlänge ca. 14 km Anforderungen einfach Empfohlene Wanderkarte Topographische Karte Sächsische Schweiz/Pirna, Blatt 43 vom Landesvermessungsamt Sachsen, 1:25000 Hinweis Empfohlener Startpunkt: Bushaltestelle Jessen Weinbergweg der Linie G/L Liebethal. Nutzt man die Haltestelle Liebethaler Grund, dann müsste man zu den Punkten 1 und 2 zurücklaufen.

12 Erläuterung zur Karte / Caspar David Friedrichs Motive 1 Steinbruchmotiv—Landschaft mit Steinbruch 2 Felswand mit Blick nach Liebethal—Felswand mit Blick nach Liebethal 3 Steinbruchmotiv—Felshang 4 Felsen am Bach (Wassersturz)— Gesteinsstudien 5 Rabenteufe 6 Lochmühle 7 Blick zum Hohen Schneeberg—Landschaft und Landschaft im Elbsandsteingebirge 8 Blick zum Lilienstein—Hügelige Landschaft mit Wanderer 9 Felsen an der Steinbrechertreppe 10 »Blechen«-Felsen 11 Uttewalder Felsentor— Felsentor im Uttewalder Grund 12 »Carus«-Felsen 13 Tannenlichtung am Weg—Tannenlichtung am Weg 14 Elblandschaft Wehlen—Flußlandschaft 15 Elblandschaft Wehlen—Elbtallandschaft 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 3 4 2 1

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 13 Lohmen Unsere Friedrich-Route, die sich an seinen gezeichneten Motiven orientiert, führt an Lohmen vorbei. Wir wissen, dass der Maler Lohmen kannte und sogar hier mit Freunden gefeiert hat. Es ist lohnenswert, dem Ort und seinen Sehenwürdigkeiten einen gesonderten Besuch abzustatten. Im Oktober 1800 schrieb Caspar David Friedrich an seinen Freund Johan Ludvig Lund: »Ich glaube es war der 17. September wie Bundsen von hier reiste. er gab einen briljanten abschieds Schmaus in Lohmen.«5 Es war sicher das Lohmener Erbgericht, wo die Malerfreunde gefeiert haben. Das Gasthaus steht noch immer, auch wenn es irgendwann erneuert wurde. Lohmen war für die Künstler interessant: das malerische Schloss auf dem Felssporn, die 1786–1789 erbaute Kirche, eine der schönsten Dorfkirchen Sachsens, oder das gesamte Ortsbild um die alte Wesenitzbrücke mit dem steinernen Brückenkreuz, das Friedrich besonders angesprochen haben mag. Lohmen war der Ort, wo man zum ersten Mal übernachtete, wenn man sich auf die schon um 1800 berühmte »Schweiztour« begab. Nach dem beeindruckenden Erlebnis des Liebethaler Grundes kehrte man hier gern ein. Zudem wohnte hier der Pastor Carl Heinrich Nicolai, der 1801 den ersten »Wegweiser durch die Sächsische Schweiz« verfasste und dessen Rat man gern einholte, wenn man hier wandern wollte. Liebethaler Grund Die Entdeckertour der Sächsischen Schweiz begann im Liebethaler Grund, wo man bei Hinterjessen auf die ersten Sandsteinfelsen Adrian Zingg —Lohmen 1800, Stiftung Hasse

Wesenitzbrücke bei Lohmen: mit historischem Brückenkreuz auf der sanierten Brücke. Das Kreuz in der Landschaft sollte bei Friedrich künftig eine wichtige Rolle spielen. Erbgericht in Lohmen: Hier übernachteten die Schweizreisenden Anfang des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal bei ihrer mehrtägigen Tour durch die Sächsiche Schweiz. Kirche von Lohmen: Blick zum Altar mit Orgel. Hans Christian Andersen: »Man sagt, dass es eine der schönsten Dorfkirchen Sachsens sei.«

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 15 traf. Zugleich wurde man mit der Steinbrecherei konfrontiert. Das war eine Überraschung und so beginnen die meisten historischen Schilderungen des Liebethaler Grundes mit Steinbruchgeschichten. Auf den gezeichneten Blättern sind die Steinbrecher bei ihrer gefährlichen Arbeit zu sehen. Bei Carl August Engelhard (1794) lesen wir über die Liebethaler Steinbrüche: »Ihr Anblick ist überraschend. Zwei Reihen einander gegenüber stehender Sandsteinfelsen, welche die Natur aus ungeheuren Blöcken gethürmt hat, bilden ein tiefes, einsames Tal, durch welches die Wesenitz bald sanft sich schlängelt, bald über herabgestürzte Felsenstücken rauschend dahinströmt. [...] Wo man die Steine bricht, erweitert sich das Tal und verliert nach und nach seine Wildheit. Hier stehet zwischen zwei Brüchen eine dünne Wand, welche die Arbeiter des einen und die des nächsten Bruchs stehen liesen, gestützt durch einige Balken, als wollte sie den Augenblick zusammenstürzen — dort hat man tief in den Felsen gearbeitet, die Steinbrecher stehen unter dem schauerlichen Naturdache, sorglos und unbekümmert, als hätten sie mit dem Tode einen Bund geschlossen, sie nicht bei der Arbeit zu zerschmettern — Auf einem jähen Abhange unterarbeiten andere einen ungeheuern Block, um ihn zum Fallen zu bringen; Sand und Erde rollt beständig unter den Füssen weg, allein das kümmert die Verwegenen nur wenig.«6 Anonym—Liebethaler Steinbrüche um 1800, Stiftung Hasse

Caspar David Friedrich —Hügelige Landschaft mit Wanderer um 1803, G 353, Kunsthalle Mannheim 8 Blick vom Lohmener Ortsrand Richtung Uttewalde.

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 29 Uttewalder Grund 1842 bereiste die englische Schriftstellerin Mary Shelley (1797–1851) die Sächsische Schweiz und besuchte die wichtigsten Punkte. Den besonderen Charakter des Uttewalder Grundes hat sie in ihrem Buch »Streifzüge durch Deutschland« treffend beschrieben: »Im allgemeinen scheinen die Berge sich über die Ebenen, wo die Menschen wohnen, zu erheben (wie es ja auch ist) und ihre mächtigen Häupter zum Himmel emporzustrecken. In Sachsen will es scheinen, als wären die Gipfel der Berge die äußere Peripherie der Erdkugel, durch die Kräfte des Wassers seltsam gespalten und abgetragen. Während wir unseren Weg durch den engen Hohlweg gingen, stiegen die Felsen rechts wie links lotrecht empor und schlossen uns mit Wänden ein. Die Klippen sind in tausend phantastische Gebilde gebrochen und zu zahllosen schroffen Säulen, Pfeilern und Gipfeln geformt, mit riesigen Höhlen, mächtigen Portalen und hochragenden Bogengängen; das Ganze mit Kiefern bedeckt, mit üppig wachsenden Büschen aller Art begrünt. Der Bach plätschert murmelnd in seinem felsigen Bett dahin. Der Pfad schlängelt sich an ihm entlang und steigt dabei über die Felsen auf und ab ... Verschiedene Hohlwege zweigen vom Hauptweg ab und werden zahlreich und verwickelt, vielgestaltig durch riesige, seltsam geformte Höhlen, manche zum Himmel geöffnet, manche dunkel und tief.«11 Im Uttewalder Grund.

30 Friedrich kannte den Uttewalder Grund sehr gut. Er hatte seinem Malerfreund Johan Christian Dahl und wohl auch seinem Schüler August Heinrich empfohlen, diesen Grund zu besuchen. Interessanterweise haben die beiden in einem Abstand von einem Jahr die markante Felsecke gezeichnet, die sofort ins Auge springt, wenn man den alten Steinbrecherweg mit den vielen Stufen von Uttewalde herunterkommt 9 . Leider kennen wir von Friedrich nur ein einziges Motiv aus dem Uttewalder Grund, das berühmte Felsentor 11 . Das ist umso bedauerlicher, zumal er selbst gesagt hat, dass er einmal eine Woche allein im Uttewalder Grund wohnte. So erscheinen Dahl und Heinrich gewissermaßen als Friedrichs Stellvertreter im Uttewalder Grund und zeigen uns Natureinblicke, die den seinen verwandt sind. Auch Karl Blechen können wir hinzurechnen. Als er im August Heinrich —Im Uttewalder Grund 1820, Klassikstiftung Weimar 9

Johan Christian Dahl —Ottowalder Grund 1819, Oslo, Nationalmuseum 9 Vergleichsbild zu August Heinrich. Steinbrechertreppe von Uttewalde. Vergleichsfoto zu Johan Christian Dahl.

32 Sommer 1823 eine Studienreise nach Dresden machte, hatte er ein Empfehlungsschreiben für Dahl bei sich. Er besuchte Dahl und lernte durch ihn sicher auch Friedrich kennen. Blechen fand weitere Motive im Uttewalder Grund 10 . Auffallend ist eine umgekippte Steinplatte, die an einem Felsblock lehnt, und ein großer eingeklemmter Stein, knapp hundert Meter talabwärts an einer kleinen Steinbogenbrücke. Beides ist noch heute unverändert und der aufmerksame Wanderer wird diese Stellen entdecken. Wassili Schukowski, der Russischlehrer der aus Deutschland stammenden Gemahlin des künftigen Zaren Nikolaus I., schrieb 1821 an die Großfürstin, dass er Friedrich zu einer Reise in die Schweiz eingeladen hätte und von dessen Ablehnung: Karl Blechen —Uttewalder Grund 7. August 1823, Berlin, Akademie der Künste Karl Blechen —Uttewalder Grund 19. August 1823, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Blechens Stein im Uttewalder Grund. Blechens Felsmotiv im Uttewalder Grund. 10 10

Zwischen dem Liebethaler Grund und Wehlen 33 »Ich muss allein bleiben und wissen, dass ich allein bin, um die Natur völlig zu schauen und zu fühlen; ich muß mich dem hingeben, was mich umgibt, mich vereinigen mit meinen Wolken und Felsen, um das zu sein, was ich bin. Die Einsamkeit brauche ich für das Gespräch mit der Natur. Einmal wohnte ich eine ganze Woche im Uttewalder Grund zwischen Felsen und Tannen, und in dieser ganzen Zeit traf ich keinen einzigen lebenden Menschen; es ist wahr, diese Methode rate ich niemandem – auch für mich war das schon zuviel: Unwillkürlich tritt Düsterkeit in die Seele.«12 Caspar David Friedrich —Felsentor im Uttewalder Grund 28. August 1800, G 227, Kunsthalle Mannheim 11

66 Basteiaussicht und Felsentor Neurathen Es kann nicht anders gewesen sein, Caspar David Friedrich muss sich für die Aussicht von der Basteiaussicht interessiert haben 10 . Der Blick über die weite Landschaft ist so suggestiv, dass man sich ihm nicht entziehen kann. Aus der Ferne grüßt der Rosenberg in Böhmen, dem Friedrich 1808 bei seiner Wanderung ins Prebischtorgebiet ganz nahe gekommen ist. Unmittelbar vor den Augen baut sich der Lilienstein auf, den er mehrfach gezeichnet hat. Tief unten die Elbe. Wir sehen die Grünbachmündung am rechten Fähranleger, wo Friedrich 1806 gezeichnet hat. Johan Christian Dahl, der Malerfreund, hat die Basteiaussicht gemalt. Carl Gustav Carus beBlick von der Basteiaussicht: Friedrich muss den Fernblick nach Böhmen wahrgenommen haben, auch wenn keine Zeichnung existiert. Den Fernblick mit Rosenberg, Kaiserkrone und Zirkelstein finden wir im Wanderer über dem Nebelmeer. richtet, wie er seine Mutter mit verbundenen Augen auf die Aussicht geführt hat, um ihr das Aha-Erlebnis des grandiosen Ausblickes zu bieten. Friedrich mag sich von dem Trubel, der schon zu seiner Zeit hier herrschte, lieber zurückgezogen haben. Etwas tiefer, wo der Pfad zur Aussicht auf den Ferdinandstein abbiegt, hat er sein Motiv gefunden. Den Blick über die tiefe Schlucht zum Neurathener Felsentor 11 . Das zeichnet er. Daraus macht er später seine Felsenschlucht, dieses anrührende Bild mit den Nebelfetzen, die aus dem Grunde züngeln. Mit den Felsen, die wie die Finger einer Hand in den Himmel zeigen. Der Baumstumpf an prominenter Stelle im Vordergrund, dessen Farbe uns etwas sagen will. Vielleicht ist das ein verhaltener Hinweis auf die Zerstörung der Natur durch den Menschen? Ein eindringliches Bild, geheimnisvoll und erhaben.

Im Rathener Gebiet 67 J. F. Schmidt nach Johan Christian Dahl —Auf der Basteiaussicht 1819, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett 10

Caspar David Friedrich —Felsenschlucht um 1822/23, BS/J 301, Kunsthistorisches Museum Wien 11

Im Rathener Gebiet 69 Auf dem Aquarell Das Tor auf dem Neurathen ist im Bereich der Felsspitzen der Hintergrund mit dem Blick zum Rosenberg und Zirkelstein schwach angedeutet, ein Beleg, dass Friedrich den Fernblick wahrgenommen hat, wie er ihn offensichtlich im Wanderer über dem Nebelmeer verwendete. Entsprechende Naturstudien sind nicht bekannt. Caspar David Friedrich —Das Tor auf dem Neurathen 1837–1840, G 990, St. Petersburg, Staatliche Eremitage 11 Neurathener Felsentor: Vergleichsfoto, Blick vom Weg zur Ferdinandaussicht. Zirkelstein Rosenberg

Blick von der Ferdinandaussicht auf die Felsenburg Neurathen. Felsenburg Neurathen mit Blick zum Klettergipfel Lokomotive auf dem Honigsteinriff.

Blick von der Bastei zum Rosenberg mit Kaiserkrone und Zirkelstein.

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen Abb. rechts: Blick von Reinhardtsdorf auf Kaltenberg und Rosenberg, davor der Zirkelstein.

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 107 Wanderroute Der Caspar David Friedrich-Weg beginnt in Krippen nahe der Elbfähre 1 und folgt auf breitem Weg parallel zur Eisenbahntrasse bis zum Abzweig, wo an der Infotafel 2 der schmale Pfad steil und mit Stufen hinauf zum eigentlichen Mittelhangweg führt. Dem teils schmalen Wanderweg folgen wir bis zum Hirschgrund. Diesem Richtung Elbtal folgend, biegen wir bald nach rechts ab, um auf bequemem Weg bis zum steilen Aufstieg des Aschersteiges, der auf die Schönaer Ebenheit führt, zu gelangen. Nach dem Besuch der Kaiserkrone 9 wandern wir nach Reinhardtsdorf zum Wolfsberg 10 . Von dort führt der Weg wieder hinab nach Reinhardtsdorf. Über den Püschelweg 11 , 12 erreichen wir wieder Krippen. Gesamtlänge: ca. 15 km Anforderungen: zwei steile Anstiege mit Treppenstufen, ein langer z. T. steilerer Abstieg, Trittsicherheit erforderlich Empfohlene Wanderkarte: Sachsen Kartographie, Hintere Sächsische Schweiz, Blatt 1 Schrammsteine, Affensteine, Zschirnsteine 1:15000/Nr.91 Hinweis: In Abhängigkeit von der aktuellen Waldsituation lassen sich die Standorte von Friedrichs Zeichnungen nur annähernd angeben. Grundsätzlich stimmen die Standorte der Infotafeln, im Detail gibt es jedoch Abweichungen. Bei den Tafeln 3 Waldbilder I und 8 Steine/Felsen sollten die Bereiche rechts und links der Tafeln einbezogen werden.

108 Erläuterung zur Karte / Caspar David Friedrichs Motive 1 Krippen, Starttafel 2 Steinbruchmotive—Im Steinbruch und Steinbruch 3 Waldbilder I 4 Blick zum Teufelsturm—Felsspitze über Taleinschnitt 5 Blick zu verschwundenem Felsturm—Pflanzenstudie und Bergmassiv und Die Steinbrüche zwischen Schandau und Schmilka 6 Felsblock (eingeklemmt) 7 Blick zum Elbtalturm 8 Steine/Felsen 9 Felsgruppe am Aufstieg zur Kaiserkrone 10 Wolfsbergblick 11 Waldbilder II 12 Püschelweg—Zwei Männer in Betrachtung des Mondes 13 Elbblick auf Schandau Wichtiger Hinweis: Auf dem Weg sind 13 Informationstafeln mit detaillierten Hinweisen aufgestellt. Aus Gründen der Verkehrssicherheit wurde Tafel 2 am Beginn des Aufstieges zum Mittelhangweg aufgestellt. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 2

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 109 Caspar David Friedrich in Krippen Im Jahr 1813 ging die Herrschaft Napoleons über Europa zu Ende. Die letzten Schlachten wurden bei Bautzen, in Dresden, an der sächsisch-böhmischen Grenze und schließlich in Leipzig geschlagen. Die traurigen Reste des sächsischen Heeres, das Napoleon 1812 in den Rußlandfeldzug gefolgt war, kamen im März 1813 in Dresden an. Die Stadt bereitete sich auf die Verteidigung gegen die anrückenden Russen vor. Mitte März befanden sich 11 000 Mann fremde Truppen in Dresden. Es herrschte Not. Krankheiten und Seuchen wüteten in der Stadt. Obwohl die Augustusbrücke gesprengt worden war, rückten am 27. März 2000 Russen in die Dresdner Altstadt ein. Im April befanden sich der russische Zar Alexander I. und der preußische König Friedrich Wilhelm III. in Dresden. Im Mai wiederum schlug Napoleon sein Hauptquartier in Dresden auf. Für Friedrich war die Situation in Dresden unerträglich geworden, so dass er sich im März nach Krippen in der Sächsischen Schweiz zurückzog. Er wohnte bei Verwandten seines Dresdner Freundes, des Münzmeisters Friedrich Gotthelf Kummer. Das Haus ist nicht mehr auffindbar. Krippen war damals ein kleines Fischerdorf an der Elbe und hatte »56 Häuser mit 347 Konsumenten, darunter 15 Wirte, oder Begüterte.«22 Im Ort gab es zwei Mühlen, eine Kirche und eine Schule. Er schrieb ein paar Briefe, die einen Einblick in seinen Seelenzustand gaben. Brief an Dr. Ludwig Puttrich (Rechtsanwalt und Kunsthistoriker) in Leipzig: »Krippen, Schandau / gegenüber an der Elbe, / den 31t März 1813 – [...] Ich habe schon seit länger als 14 Tagen Drd. verlassen und lebe hier in einer sehr angenehmen Gegend. Der hiesige Aufenthalt könnte für mich sehr nützlich sein, wenn nicht die Ereignisse der Zeit mein Gemüth so ganz verstimt hätten und mich unfähig machten etwas zu beginnen [...].«23 Brief an Frederik Christian Sibbern, dänischer Philosoph: »Krippen den 30t Mai 1813 Ich lebe seit 14 Tage auf dem Lande, Schandau gegen über an der Elbe. Warum ich Dresden verlassen, können sie sich leicht denken. Der Mangel an Lebensmittel war so groß, das wirklich Menschen sollen verhungert seyn. Jetzt ist die Not nicht mehr so groß, aber ich finde noch immer Ursach genug nicht wieder zurück zu kehren; vielleicht sind auch meine Zimmer mit Verwundete angefüllt [...].«24 Ein weiterer Brief an Sibbern lässt vermuten, dass dieser Friedrichs Schreiben vom 30. Mai nicht erhalten hat. Friedrich hatte Sibbern wohl im Zusammenhang mit dem Norweger Henrik Steffens, auch einem Naturphilosophen, der in der Befreiungsbewegung gegen Napoleon aktiv tätig war, kennengelernt. Friedrich hatte sich förmlich in Krippen verkrochen und war, wie er schrieb, von den »Ereignissen der Zeit« so angegriffen, dass er nicht fähig war zu arbeiten. Erst am 1. Juni griff er wieder zum Skizzenbuch und notierte neben einer Zeichnung von Nadelbäumen »nach langer Zeit das erste gezeichnete«. Friedrich beobachtete genau, was geschah und

110 reflektierte es in seinen Zeichnungen. Auf den Waffenstillstand der Kriegsparteien reagierte er mit Hoffnung, auf ein überraschendes Auftauchen Napoleons in Krippen mit Entsetzen. Der Reinhardtsdorfer Pfarrer Jungwirth verfasste einen Zeitzeugenbericht über die Ereignisse des Jahres 1813 in der Gegend.25 Wir lesen von versenkten Elbfähren. Erfahren, wie abwechselnd Franzosen, Alliierte und russische Kosaken in den Dörfern auftauchten, Nahrungsmittel aquirierten und Angst und Schrecken verbreiteten. Friedrich wollte dem Kriegsgeschrei in Dresden entfliehen und musste sehen, dass dies selbst in diesem abgelegenen Winkel nicht möglich war. Friedrich unternahm, seiner Gewohnheit gemäß, auch hier tägliche Spaziergänge. Oft ging er den selben Weg, der sich durch die Datierungen seiner Zeichnungen ziemlich genau rekonstruieren lässt. Von Krippen aus benutzte er am Elbhang den heutigen Mittelhangweg bis zum Hirschgrund. Über Schöna und Reinhardtsdorf führte ihn der Weg zurück nach Krippen. Einmal zeichnete er auf der anderen Elbseite vom Wolfsgraben aus den Blick auf Krippen. Ob er anschließend die Schrammsteine besuchte, wissen wir nicht. Eine Naturstudie lässt den Schluss zu, dass er am Krippenbach unweit von Berggießhübel gezeichnet hat. In Schöna war er am Kahlstein, wie die Kaiserkrone von alters her hieß. In unmittelbarer Nachbarschaft steht der Zirkelstein, der für Friedrich von besonderem Interesse gewesen sein musste. Er hatte ihn schon früBlick vom Kohlbornstein auf Krippen: auf der gegenüberliegenden Elbseite ist der Wolfsgraben zu sehen, der auf die Ostrauer Scheibe führt.

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 111 Die vorderen Schrammsteine mit Meurerturm und Vorderem Torstein. her aus der Ferne gesehen und im Zusammenspiel mit dem Rosenberg gezeichnet. Friedrich war sicher auch zum Reinhardtsdorfer Wolfsberg hinaufgewandert. Vom Mittelhangweg aus mit prächtiger Sicht auf die gegenüberliegenden Schrammsteinwände zeichnete er vier markante Motive jenseits der Elbe 4 5 6 7 . Allerdings bot sich Friedrich eine völlig andere Situation als heute, denn in den ehemaligen Postelwitzer Steinbrüchen, auf die wir heute blicken, wurde damals aktiv geabeitet. Manch ein Felsturm, der einst noch stand, ist dem Steinbruchbetrieb zum Opfer gefallen. Friedrich ist bei der Auswahl seiner Motive in gewisser Weise rätselhaft. Am Weg und am Waldhang liegen Steine über Steine. Einige zeichnete er. Nicht aber die Felsgruppe der vorderen Schrammsteine mit Meurerturm und Vorderem Torstein, die sich so großartig über der Elbe auftürmen. Die freie Sicht von der Hochebene zwischen dem Rosenberg und dem fernen Lilienstein, den Zschirnsteinen und den Schrammsteinen ist schlicht überwältigend. Doch Friedrich richtete den Blick auf Felsen und Steine, die fast nebensächlich wirken. Betrachten wir heute diese Blätter, können wir nur staunend innehalten. Und er machte in diesen Krippener Monaten eine Fülle von Baumstudien: Fichten, Tannen, Kiefern 3 11 .

118 Felsstudien Die folgenden Zeichnungen von Steinen und Felsen, die Friedrich bei seinen Wanderungen auf dem Mittelhangweg in sein kleines Skizzenbuch eintrug, geben den Charakter der Standsteinfelsen treffend wieder. Bis auf einen Felsturm, der durch den Steinbruchbetrieb verschwunden ist, lassen sich die größeren Felsen alle wiederfinden. Bei den Felsblöcken am Wegesrand ist das weitaus Caspar David Friedrich —Felsspitze über Taleinschnitt 16./17. Juli 1813, G 697, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett 4 schwieriger. Da gibt es offene Fragen. Mancher Felsen wird unter Gestrüpp verborgen sein. Oben ist ein Blick zum Teufelsturm dargestellt 4 . Früher nannte man den Fels Mittagsstein, weil man von den gegenüberliegenden Feldern auf der Reinhardtsdorfer Ebenheit am Schattenwurf des Felsens die Mittagszeit ablesen konnte. Friedrich muss ein Fernrohr benutzt haben, denn die Detailgenauigkeit der Zeichnung ist

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 119 Vergleichsfoto zu Felsspitze über Taleinschnitt: Friedrich zeichnete hier den Blick vom Mittelhangweg zum Teufelsturm, der früher Mittagsstein hieß. so mit bloßem Auge kaum zu erreichen. Die beiden schrägen Felsspalten sind deutlich nur bei Nachmittagslicht wahrnehmbar. Friedrich hat zwei Tage an dem Blatt gezeichnet. Warum er die Arbeit unterbrochen hat, wissen wir nicht. Der Taleinschnitt, über dem der Felsturm steht, ist nur angedeutet. Die Lokalisierung geht auf den Krippener Lehrer Gerd Englick zurück.

Caspar David Friedrich —Pflanzenstudie und Bergmassiv 13. Juli 1813, G 695, Oslo, Nationalgalerie 5

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 121 Am 13. Juli 1813 zeichnete Friedrich einen großen markanten Felsen, der heute verschwunden ist 5 . Er ist später dem Steinbruchbetrieb in den Postelwitzer Brüchen zum Opfer gefallen. Eine Radierung Adrian Ludwig Richters aus den »30 An- und Aussichten [...] für den Besuch der Sächsischen Schweiz« von 1823 zeigt uns denselben Felstum. An der hellen Abbruchstelle (siehe Foto unten) muss Friedrichs Fels gestanden haben. Die große Distel, vermutlich aus einem Krippener Garten, verwendete Friedrich 1836 in einer Sepiazeichnung Sarg am Grab, auf der auch der Hohe Schneeberg zu sehen ist. Vergleichsfoto zum Bergmassiv mit Montage von Friedrichs Felsturm. Die Stelle hat der Krippener Lehrer Gerd Englick lokalisiert. Adrian Ludwig Richter —Die Steinbrüche zwischen Schandau und Schmilka (Ausschnitt), 1823, aus den »30 An- und Aussichten [...] für den Besuch der Sächsischen Schweiz«, Stiftung Hasse 5

138 Zwei Männer in Betrachtung des Mondes Bei diesem kleinen Gemälde drängt sich der Gedanke auf, dass Friedrich den Püschelweg, der von Krippen hinauf nach Reinhardtsdorf führt, im Sinn hatte. Es lässt sich nicht belegen. Jedoch, die Übereinstimmung des realen Weges mit der Komposition ist nicht von der Hand zu weisen. Wie oft wird ihn der Maler während seines Krippener Aufenthaltes gegangen sein. Die riesige Eiche, deren Wurzeln zum Teil in die Luft ragen, geht teilweise auf eine Studie von 1809 in Neubrandenburg zurück. Weitere Studien zum Gemälde fehlen. Wahrscheinlich sind sie verschollen. Der Felsblock liegt am Püschelweg, allerdings seitenverkehrt. (Friedrich hat im Gemälde Grab des Arminius, BS/J 206, einen Felsen gespiegelt verwendet.) Wer sind die beiden Männer? Es kommen einige in Frage. Dass es Friedrich selbst sei, an den sich der jüngere Malerfreund Johan Christian Dahl lehnt, ist nicht von der Hand zu weisen. Immerhin hat Friedrich dieses Gemälde Dahl geschenkt, unmittelbar nachdem er es gemalt hat. Zwei offensichtlich miteinander sehr vertraute Menschen, die in stiller Versenkung die Mondsichel mit dem Abendstern betrachten, machen dieses Bild zu einem der romantischsten überhaupt. Püschelweg von Krippen nach Reinhardtsdorf. Püschelweg von Krippen nach Reinhardtsdorf (Felsblock gedreht). Caspar David Friedrich —Baumstudien 25./26. April 1809 (gezeichnet in Neubrandenburg), G 580, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett 12

Caspar David Friedrich-Weg in Krippen 139 »Alle Tätigkeit muß aufgelöst werden in ein staunendes Anschauen des Unendlichen. Erst dann werden die innersten Tiefen des Gemütes angesprochen.« Friedrich Schleiermacher32 Caspar David Friedrich —Zwei Männer in Betrachtung des Mondes Öl, 1819, BS/J 261, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Albertinum 12

Zwischen Tharandt und Kriebstein Abb. rechts: Burg Kriebstein

148 Der Plauensche Grund und Tharandt Meyers Reisebücher (Dresden), 1902: »In den Plauenschen Grund, den untern Teil des Thals der aus dem Erzgebirge kommenden Weißeritz, die vor dem Eintritt in das Elbthal ein gewaltiges Syenit- und Porphyrmassiv zu durchbrechen hatte. Im vorigen Jahrhundert galt der Grund in Dresden beinahe als der Inbegriff aller landschaftlichen Schönheit; in neuerer Zeit hat er durch Anlegung der Eisenbahn, durch Steinbrüche und die Umwandlung der frühern Der Plauensche Grund um 1820, vereinfachte Darstellung, einschließlich der 1855 gebauten Eisenbahnlinie idyllischen Mühlen in große gewerbliche Anlagen sehr gelitten; immerhin ist sein Besuch auch jetzt noch lohnend.«37 Der Plauensche Grund war eine der Lieblingslandschaften der Dresdner Künstler. Zwischen 1770 und 1830 sollen mehr als tausend Kunstblätter von diesem Tal entstanden sein. Der Bogen spannt sich von Johann Alexander Thiele bis hin zu Adrian Ludwig Richter. Selbst Anton Graff, der berühmte Porträtmaler, hat Landschaften des Plauenschen Grundes gemalt. Die wild rauschende Weißeritz mit ihren Mühlen, die Felshänge, der markante Windberg oder die Tharandter Burgruine und die malerische Kirche auf demselben Felssporn boten Motive über Motive.

Zwischen Tharandt und Kriebstein 149 Friedrich erlebte den Plauenschen Grund um 1800 als zwar kultivierten, aber noch weitgehend intakten Naturraum. Reichlich fünfzig Jahre später, 1855/56 mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie, der Albertbahn, und dem Bau der Sächsischen Gußstahlfabrik in Döhlen begann ein neues Zeitalter: »Alles bildete ein reizendes Ganzes, eine kleine abgesonderte Welt. In mannigfaltigen Formen umrahmen Berge und Hügel die breite Aue, trotz zahlreichen Wohnstätten, finden grüne Wiesen und fruchtbare Felder immer noch Raum und mitten durch den ebenen Talgrund ziehen eiserne Gleise ihre schnurgerade Bahn. Dabei ist alles Leben und Thätigkeit. Den Fabriken entquellen Rauchwolken, dumpf donnernd erdröhnen die Dampfhämmer des Gußstahlfabrik, und mit schrillen Pfiffen warnt die rastlos hin und her dampfende Lokomotive! Alles trägt den Charakter einer Gegend, die reich durch ihre unterirdischen Schätze – das schwarze Gold – bevorzugt durch ihre günstige Lage – nahe der Hauptstadt – zu einer bedeutungsvollen Stätte der Industrie, der Gewerbetätigkeit und des Verkehrs sich emporgeschwungen hat, wie wenig andere in unserem Vaterlande.«38

Caspar David Friedrich —Bauernhäuser vor Berghang 4. August 1799, G 155 recto, Kunstpalast Düsseldorf

Zwischen Tharandt und Kriebstein 151 Die alten Dörfer des Plauenschen Grundes sind heute kaum noch erkennbar. Alles ist in die Stadt Freital aufgegangen. Die Mühlen, die Friedrich gemalt hat, sind verschwunden. Die Weißeritz ist gezähmt und in ein festes Bett gezwängt. Wo Friedrichs Steinstudien am Bach entstanden, ist im Grunde nicht mehr festzumachen. Vielleicht im Plauenschen Grund, vielleicht manche im Rabenauer Grund, der allerdings wegemäßig zu Friedrichs Zeit auch nur teilweise erschlossen war. In der Somsdorfer Klamm finden wir Felsklippen, die sofort an Friedrich erinnern. Im Gegensatz zum Plauenschen Grund kann man im Rabenauer Grund wunderbar wandern und sich von den steilen Hängen, den Felsklippen und den Steinen in der Roten Weißeritz in Friedrichs Gedankenwelt hineinversetzen, auch wenn die Motive im Detail abweichen. In einem Brief in Versen an seinen Bruder Heinrich (um 1802) schildert Friedrich eine Wanderung von Dresden nach Tharandt. Er benennt die wichtigsten Orte, die sich in der Übersichtskarte wiederfinden lassen. Er schildert seine Eindrücke und lässt uns auch nach mehr als 200 Jahren an seiner Begeisterung teilnehmen. Bis auf die Blätter, auf denen der Windberg abgebildet ist, lässt sich heute keine von Friedrichs gezeichneten Ansichten im Plauenschen Grund mit dem aktuellen Zustand vergleichen. Die hier abgebildeten Zeichnungen mögen Friedrichs besondere Wertschätzung des Plauenschen Grundes verdeutlichen. Mit Hilfe einer Veröffentlichung von Wilhelm Gottlieb Becker zum Plauenschen Grund (1799) konnte auf dem Blatt Bauernhäuser am Berghang der Ort lokalisiert werden, nämlich Potschappel (Helmut Börsch-Supan). Der Landweg mit Bach und Brücke wurde ebenfalls von Börsch-­ Supan als eine Stelle kurz unterhalb der Hegereiterbrücke identifiziert. Wilhelm Gottlieb Becker in »Der Plauische Grund bei Dresden« (1799): »Der schöne halbbewachsene Berg, der sich hinter [dem Dorf Potschappel] erhebt, macht das Innere seiner Lage noch malerischer und interessanter [...]. Vorher liegt noch ein geräumiges Haus, für Fremde oder Einheimische zum Vermieten bestimmt, man muss gestehen, dass es ein beifallswürdiger Gedanke war, in einer so schönen Gegend auch eine Sommerwohnung für andere zu bauen.«39 J. A. Darnstedt —Ansicht von Potschappel Privatsammlung

160 Felsstudien In einem Brief an die befreundete Malerin Luise Seidler am 2. Mai 1814 nennt Caspar David Friedrich den Ort, wo er ihren eben erhaltenen Brief gelesen hat, den Plauenschen Grund. Und er fügt eine Skizze hinzu, die ihn zeichnend in einer Höhle zeigt. Der Hinweis auf Kuchen und Braten steht wohl in Beziehung zur Hochzeit von Seidlers Schwester, von der sie ihm berichtet hatte. »Am rauschenden Wasserfall im Plauischen Grund hab ich Ihren Brief gelesen (auf dem Wege dahin erhielt ich Ihren Brief); und ich bekam von all den Kochen und Braten das Sausen und Brausen lust [mit] zu genießen. Vergleichsfoto: Das Nadelöhr im Rabenauer Grund. Wenn doch im augenblicke die Felsen zu Kuchen und Braten geworden weren und das Wasser zu Wein; es were gewiß eine neue Höle entstanden und das tobende Wasser were zu einem rieselnden Bächlein geworden. Dann hätte ich mich mit vollen Magen vor mein Werk hingesetzt und es verewigt. In diesem augenblick stellt sich alles mir so lebendig vor daß ich versuchen muß, Ihnen einen kleinen Entwurf davon zu geben.«41 Etwas irritierend ist der Hinweis auf den rauschenden Wasserfall in Beziehung zur gezeichneten Höhle. Im Plauenschen Grund gab es keinen natürlichen Wasserfall. Allerdings bezeichnete man das hohe Wehr bei der Hegereiterbrücke als Wasserfall. Dazu Wilhelm Gottlieb Becker, 1799: Casper David Friedrich —Briefseite an Luise Seidler, Friedrich zeichnet in einer Höhle, G 715, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett

Caspar David Friedrich —Felshang 9. Juni 1799, G 109 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett »[...] die Brücke (Hegereiterbrücke) mit ihrem breiten getäfelten Wehr, das einen künstlichen Wasserfall bildet. [...] Man betrachte das schäumende Wehr, das einem natürlichen Wasserfall gleicht; oberhalb desselben den ruhigen Wasserspiegel der die umliegenden Gegenstände verdoppelt; [...] zur linken eine malerische Bergwand; [...] gegenüber die große felsige Bergmasse.«42 Von der Forschung nicht angezweifelt, erinnert die gezeichnete Höhle an das Nadelöhr im Rabenauer Grund. Die reale Höhle weicht allerdings von Friedrichs Zeichnung ab. Man weiß nicht, wie die Höhle 1834 aussah, als durch sie hindurch der Wanderweg angelegt wurde. Sicher lag die Sohle ursprünglich tiefer. Auch hier, an der Roten Weißeritz gab es keinen Wasserfall. Eine konkrete Lokalisierung dieser und der folgenden Zeichnungen ist heute kaum noch möglich. Zuviel hat sich im Plauenschen und auch im Rabenauer Grund verändert. Man findet wohl sehr ähnliche Felsstrukturen, aber letzte Sicherheiten gibt es nicht. Erschwert wird eine Suche zudem dadurch, dass Friedrich keine Ortsangaben gemacht hat. So kann die eine oder andere Zeichnung auch an anderen Stellen entstanden sein. Vielleicht an der Großen Striegis oder in einem der Muldentäler. Trotzdem bieten die Zeichnungen vielfältige Anregungen zur Naturbeobachtung.

Caspar David Friedrich —Felsstudien 17. August 1799, G 174 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Caspar David Friedrich —Felsstudien 20. Mai 1799, G 110 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Caspar David Friedrich —Baumstudie 25. September 1799, G 180 verso, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Vergleichsfoto: Steine in der Roten Weißeritz. Vergleichsfoto: Steine in der Roten Weißeritz. Vergleichsfoto: Felshang im Rabenauer Grund.

Caspar David Friedrich —Felsstudie 2. Oktober 1799 (Ausschnitt), G 181 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Caspar David Friedrich —Felsformation 10./12. August 1799 (Ausschnitt), G 169 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Vergleichsfoto: ähnlicher Felsen in der Somsdorfer Klamm. Caspar David Friedrich —Felsformation 10. August 1799 (Ausschnitt), G 168 recto, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett Vergleichsfoto: Felsformation im Rabenauer Grund, die von ihrer Struktur her an die nebenstehende Studie erinnert.

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