Ingeborg Bachmann und Max Frisch
Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit | Die große Biografie des berühmtesten Paars der deutschsprachigen Literatur
Ingeborg Bachmann und Max Frisch: Das Traumpaar der deutschen LiteraturFür vier Jahre, zwischen 1958 und 1962, waren sie ein Paar: Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Ein Paar allerdings, von dem es keine gemeinsamen Fotos gibt und über das nur wenige Details nach außen drangen. Doch die beiden haben Spuren hinterlassen: in Paris, wo ihre leidenschaftliche Liaison beginnt, in Zürich, wo sie eine gemeinsame Wohnung beziehen, und in Rom, wohin Frisch seiner Geliebten folgt und bald von Eifersucht geplagt wird.»Ich bin ein Narr und weiß es.« Max Frisch über seine Liebe zu Ingeborg Bachmann Damals sei Ingeborg Bachmann auf ihn zugekommen wie auf einem roten Teppich, sagt Max Frisch. Sie hatte Vorrang, und er akzeptierte es. Für das Zwischenmenschliche war das gefährlich. So sieht er es im Rückblick und gesteht selbstkritisch: »Wir haben es nicht gut gemacht.«Noch über den schmerzvollen Bruch hinaus beziehen sich die Schriftsteller in ihren Werken aufeinander, geben sie in ihren Texten innerste Gefühle und Verwundungen preis. Sie hören nicht auf, an den anderen zu denken, sich nach dem anderen zu sehnen. Ingeborg Gleichauf erzählt die Geschichte einer so großen wie unmöglichen Liebe.»Die kluge Biografie von Ingeborg Gleichauf fesselt wie ein Liebesroman.« Brigitte
Fremde N?he ? Sommer 1985 Max Frisch sitzt am Steintisch im Garten seines Hauses in Berzona, Valle Onsernone, Tessin. Ihm gegen?ber hat der ?bersetzer und Regisseur Philippe Pilliod Platz genommen. Mit ihm ist Frisch seit vielen Jahren befreundet. Pilliod hat mehrere Werke Frischs ins Franz?sische ?bersetzt, kennt sich also aus in der Schreibwerkstatt des Schriftstellers. Vor ihnen stehen eine Flasche mit Wei?wein und zwei Gl?ser. Manchmal erheben sich die beiden M?nner, spazieren im Garten umher. Manchmal halten sie inne, bleiben nachdenklich stehen. Meistens aber sitzen sie am Tisch oder auf dem Verandam?uerchen. Worum es gehen soll, wurde im Voraus besprochen: Max Frisch gibt dem Freund Interviews, deren sp?tere Ausstrahlung im Fernsehen geplant ist.1 Frisch ?u?ert den Wunsch, es solle bereits im Titel deutlich werden, dass hier ein alter Mann spricht, einem 20 Jahre J?ngeren Rede und Antwort steht. Ein alter und ein junger Mann, und es ist der J?ngere, Philippe Pilliod, der einen gesetzten, gut gekleideten und ordentlich frisierten Eindruck macht. Frischs letzter Friseurbesuch muss einige Zeit zur?ckliegen, seine wei?en Haare sind ziemlich lang, der Wind hat leichtes Spiel mit ihnen. Aber auch auf Fotos aus fr?heren Jahren f?llt das Zusammenspiel von Haar und Wind immer wieder auf. Max Frisch antwortet auf jede der Fragen bereitwillig, ruhig, aber nie in vorgefertigten oder auswendig gelernt wirkenden S?tzen. Er spielt nicht die Rolle des ge?bten Antwortgebers, die er sein ganzes Leben ?ber oft genug eingenommen hatte. Er muss nicht auf Knopfdruck druckreife Aussagen machen. Vielleicht spielt auch die Gegend, in der die Gespr?che stattfinden, eine Rolle: Diese wilde Tessiner Berglandschaft beg?nstigt offenbar ein freieres Nachdenken und Sprechen. Anspruchslos wie die Natur um ihn wirkt auch Max Frisch. Als habe sie abgef?rbt auf seinen Charakter. Max Frisch, der Heimatfl?chtige, der Unstete, hier in Berzona scheint er angekommen zu sein, bleiben zu wollen, nicht gleich wieder an Abreise zu denken. Zumindest f?r diese freundschaftliche Begegnung mit Pilliod f?hlt er sich am richtigen Ort. Die Gespr?che folgen einem gleichm??igen Rhythmus, Frisch und Pilliod verstehen sich, haben sich schon vor diesen Interviews verstanden. Der Schriftsteller muss keine Angst haben, unversehens durch eine indiskrete Frage in die Enge getrieben zu werden. Er sieht sich keinem voyeuristischen Blick ausgesetzt. Zwischen den Gespr?chspartnern geht es vertrauensvoll, offen, gel?st zu. Keine Anspannung, keine Gehemmtheiten. Max Frisch ist faszinierend pr?sent, argumentiert klar, erz?hlt fl?ssig und spannend. Im Einklang mit der Umgebung, hin und wieder einen Schluck Wein nehmend, scheint nichts die gelassene und doch wachsame Ruhe der beiden Freunde st?ren zu k?nnen. Bis ein Name f?llt: Ingeborg Bachmann. Frisch springt auf, als habe ein Stromsto? seinen K?rper durchzuckt, er weicht zur?ck, nimmt eine Art Fluchthaltung ein. Diese abrupte Reaktion ?bertr?gt sich auf die Zuschauer des Films. Es sieht aus wie ein gro?es Erschrecken, aber das Wort fasst nicht alles, was in diesem Moment da ist, pl?tzlich sehr nah erscheint. Die Frage nach dem Grund, die Frage danach, warum etwas geschieht, diese Frage, die die Natur nicht stellt, nur der aus der Natur entlassene Mensch. Auf einmal hat sie sich aufgebaut, massiv wie ein Gebirge und so, als geh?re sie dazu, ganz nat?rlich, schon immer. Max Frisch wei? es. Vielleicht hatte er vergessen, dass diese Frage lauerte, dass sie sich einfach nur f?r eine Weile still verhalten hatte. Wie beruhigend ist es, in der Natur zu sein, die den Menschen nicht braucht, die in keinen Erkl?rungszwang ger?t, die einfach da ist. Anders aber steht es mit all den Erfahrungen, die Menschen anh?ufen im Lauf ihres Lebens, Erfahrungen, die verstanden werden wollen, die ein forschendes Nachdenken herausfordern, keine Ruhe geben. Wechsel der Jahreszeiten, Sonne, Blitz und Donner, wild prasselnder Regen, das Zubereiten und Einnehmen der Mahlzeiten, Reparaturarbeiten am Haus, Gartenarbeit, manchmal der Besuch von Freunden: als ob das nicht gen?gen k?nnte, jetzt im Alter. Und dann stellt der Freund auf einmal die Frage nach Ingeborg Bachmann. Sofort sind die Erinnerungen wieder da. Der Name Ingeborg Bachmanns f?llt, als sei es das Nat?rlichste von der Welt, neben den vielen anderen Dingen auch ?ber sie und die gemeinsame Zeit zu sprechen. Der Gespr?chspartner Frischs ahnt es, ja wei? es vielleicht sogar, dass ohne die Begegnung mit Bachmann f?r Max Frisch fast alles anders gekommen w?re. Diese Beziehung kann nicht einfach nur eine Episode gewesen sein, ein Missverst?ndnis. Wie steht Frisch heute dazu, was bewirkt die Nennung dieses Namens in ihm, hier in Berzona, jetzt, in dieser Stunde? Ein kleines Z?gern: Was war das damals mit Ingeborg, vor fast 30 Jahren, in Paris, Z?rich, Rom, in der eigenen und der fremden Sprache, im Sprachengemisch, im Durcheinander der Gef?hle, unter dem Diktat des Schreibenm?ssens. Eine Liebe zwischen einem Schriftsteller und einer Schriftstellerin. Diese extreme Erfahrung, sie ist eingegangen in Frischs Arbeit, wie sie auch in Bachmanns Werk eingegangen ist, aber das Schreiben hat sie nicht verstehbar gemacht, sondern blo? ausgefaltet. Nach wie vor l?sst Max Frisch der Name Ingeborg Bachmann in ?u?erste Unruhe geraten, ihn seine Grenzen sp?ren. Den erl?senden Satz, es hat ihn zu Lebzeiten Bachmanns nicht gegeben. Frisch hat sich ins Schreiben gerettet. Wieder und wieder hat er sich selbst und seinen Lesern Liebesgeschichten erz?hlt, hat verschiedene Frauenfiguren entworfen, ihnen Namen gegeben. Die wahre Geschichte der Beziehung zu Ingeborg Bachmann kann nicht erz?hlt werden. Das wei? Max Frisch. Und es beunruhigt ihn. Der verwirrende, vieldeutige Anfang, die gemeinsamen Jahre, die Trennung, ?ber die er, Frisch selbst, schrieb: ?Das Ende haben wir nicht gut bestanden, beide nicht.?2 Man mache im Leben vielleicht drei, vier oder f?nf entscheidende Erfahrungen. Die Begegnung mit Ingeborg Bachmann habe f?r ihn zu diesen wichtigsten Erfahrungen geh?rt. Sie sei damals auf ihn zugekommen auf einem roten Teppich, was f?r das Zwischenmenschliche gef?hrlich gewesen sei. Sie hatte Vorrang, und er akzeptierte es. So sieht es der alte Max Frisch. Er denke h?ufig an sie, aber nicht mit einem Bewusstsein der Schuld, wohl aber mit dem Gef?hl der Reue. Schuld wirkt endg?ltig, trennend, schafft eine letzte Realit?t. Reue hingegen bewahrt einen Zwischenraum aus ungelebten M?glichkeiten. Daran denkt Frisch jetzt, wenn er mit Philippe Pilliod ?ber seine Liebe zu Ingeborg Bachmann spricht. Ein Sturzflug sei es gewesen, aber nicht der eines Flugzeugs. Er denke eher an Ikarus dabei. Es ist nicht Altersweisheit, die Frisch so sprechen l?sst. Vielmehr eine spezielle Art von Alterswachheit. Immer noch ist dieser Frisch ein Rebell, jemand, der an Utopien glaubt. Wenn einer von Reue spricht, will er nicht recht haben, sich nicht beruhigen in einer Eindeutigkeit, auch nicht in der einer Schuld. In Montauk hei?t es, sie werde gebraucht, unsere Schuld, sie rechtfertige viel im Leben anderer. Wie recht Frisch hat. Er denkt daran, was h?tte sein k?nnen, wenn es nicht gekommen w?re, wie es kam. Es hat keinen Schlussstrich gegeben. Auch wenn es aussah, als habe Frisch nach der Trennung von Bachmann einen radikalen Neuanfang gewagt. Noch einmal anfangen kann man auch dann, wenn man mit allem Vorangegangenen noch nicht am Ende ist. In jedem Anfang sind Reste von Vergangenem, f?hren ihr Eigenleben. Frisch war nach dem Ende der Beziehung zu Ingeborg Bachmann sogleich in eine neue Liebesgeschichte gefl?chtet. Mit der jungen, aufgeschlossenen, belesenen, fr?hlichen, kommunikativen Studentin Marianne Oellers glaubte er, die Zeit mit Ingeborg Bachmann hinter sich lassen zu k?nnen, Abstand zu gewinnen, einen der f?r ihn so lebenswichtigen Anf?nge zu schaffen. Wieder neu sein, heraustreten aus einer Lebenssituation, die unertr?glich geworden ist. Es ist nicht der letzte Rettungsversuch geblieben. Alice Carey, eine junge Amerikanerin, sollte ein paar Jahre sp?ter Garantin sein f?r einen weiteren Neubeginn. Das Leben kann scheitern, das wei? Frisch. Es ist eine seiner Grundeinsichten. In seinem Werk setzt er sich dauerhaft auseinander mit M?glichkeiten des Scheiterns. Und diese Einsicht in die Fragilit?t aller Lebensentw?rfe gewinnt nun wieder eine starke Pr?senz, hier in Berzona, am Steintisch, im Garten unter B?umen. Dass man dem totalen Scheitern knapp entrinnen, dass man sich jederzeit verlieren kann und dann nichts mehr hilft, auch keine neue Beziehung. Frisch hat erleben m?ssen, dass er Vergangenes nicht abzusch?tteln vermag. Alles, was war, das ganze Ausma? an Erfahrungen, kann sich jederzeit zur?ckmelden, in Bildern, Tr?umen, Worten, Gesten. Es kann unerwartet in den Geschichten Platz nehmen, vielleicht sogar die Hauptrolle spielen. Zu einer blitzartigen Pr?senz von Vergangenheit kommt es nun, als der Freund Pilliod die Dichterin Ingeborg Bachmann erw?hnt. Es f?hrt kein Weg vorbei an der Gewissheit: Dies war die ganz entscheidende, die herausforderndste Liebesbeziehung, die Frisch eingegangen war in seinem Leben. Eine Beziehung, deren Wirkung nie nachgelassen hat, das wird ihm jetzt von Neuem bewusst. Aber ist sie wirklich so restlos gescheitert, diese Liebe? Kann man von vollkommenem Scheitern sprechen, wenn etwas derart intensiv weiterwirkt, die Arbeit befeuert, einen immer wieder in eine verwirrende Unruhe versetzt? Oder ist es wie in vielen B?chern Frischs: Gerade dann, wenn man meint, dies sei eine Geschichte, die zwangsl?ufig ins Scheitern, in den Untergang f?hrt, erheben sich kleine Inseln des Unm?glichen, die Hoffnung machen. Max Frisch hat den Faden zu Bachmann nicht zerschnitten. Er arbeitet an dem hauchd?nnen Gewebe, das Erinnerung hei?t. Mit Ingeborg Bachmann kann in diesem Fr?hjahr 1985 kein Interview gef?hrt werden. Sie ist seit zw?lf Jahren tot. Sie kann auf Frischs Unruhe nicht mehr antworten. Die Frage nach dem Verlauf ihrer Beziehung zu Frisch hat auch sie immer wieder gestellt. Sie wollte ebenfalls verstehen, hat nach Gr?nden gesucht f?r das rasche Ende. Und hat f?r sich herausgefunden, dass diese Frage ins Nichts f?hrt, dass es eine Frage ist, die Abgr?nde ?ffnet. In ihrem Schreiben hat auch sie Liebesgeschichten entworfen, M?nnerfiguren erfunden, ihnen Namen gegeben, ein- und mehrsilbige, und die Frage gestellt, ob man einen Mann mit einem einsilbigen Namen ?berhaupt lieben kann. Das Erlebte ist schlie?lich nicht nur zum Weinen, und das Ironische hat seinen Platz in den Geschichten und im Leben Ingeborg Bachmanns. K?nnte sie noch einmal angesprochen werden auf ihre Beziehung zu Max Frisch, h?tte sie einen wie Philippe Pilliod sich gegen?ber am Tisch sitzen, w?rde sie wom?glich zun?chst schweigen, nichts sagen oder wie viele Figuren ihrer B?cher antworten: Es war nichts. Damit g?be sie ihre Betroffenheit direkt weiter an den Gespr?chspartner. Das Utopische der S?tze, wie Bachmann es versteht, hier w?rde es noch einmal deutlich werden. Es war nichts: Es war die M?glichkeit f?r alles. Das ist gar nicht so weit weg von Frischs Rede von der Reue und vom Sturzflug des Ikarus. Es war Spruch und Widerspruch. Ein grandioser Anfang und ein trauriges Ende. Verzauberung, Entzauberung. Und Spielraumer?ffnung f?r viele Nach-Geschichten. In den Gespr?chen im Alter, die Philippe Pilliod mit Max Frisch f?hrt, ist Ingeborg Bachmann nicht nur dort pr?sent, wo ihr Name f?llt. Sie ist Stichwortgeberin, abwesende dritte Gespr?chspartnerin, taucht auf in Anspielungen, bleibt f?r Frisch eine gewichtige Stimme ?ber ihren Tod hinaus. Die Auseinandersetzung Frischs mit seinen anderen Lebenspartnerinnen ist nicht zu vergleichen mit seinem lebenslangen Nachdenken ?ber und seinem Denken an Ingeborg Bachmann. Anders als zum Beispiel nach dem Ende der Beziehung zu Marianne Oellers bleiben viele Fragen. ?ber Marianne Oellers schreibt Frisch in den Entw?rfen zu einem dritten Tagebuch: ?Sie lebt in Berlin (was ich wei?) in der lichten Jugendstil-Wohnung, die ihre Wohnung geworden ist. Wenn ich eine Frage h?tte, so w?rde sie offener antworten als je, glaube ich. Ich habe keine Frage. ?konomisch ist alles gel?st auf Lebenszeiten. Einmal fasst sie meine Hand, die auf dem Steintisch liegt zwischen Glas und Aschenbecher. Ihre Biografie, meine Biografie, Schnittpunkt im Vergangenen.?3 Was die Beziehung zu Marianne Oellers betrifft, herrscht f?r Frisch Klarheit, bez?glich Ingeborg Bachmann bleiben R?tsel. Alles ist offen, und nichts ist gekl?rt. In diesem Moment in Berzona durchlebt Frisch die H?hen und Tiefen seiner gro?en Liebe zu Ingeborg Bachmann noch einmal. Bilder tauchen auf, Stimmen werden h?rbar. Die Schaupl?tze dieser Liebe, Paris, Z?rich, Rom, breiten sich aus vor dem inneren Auge. Die Vergangenheit schiebt sich ?ber die Gegenwart. Auf der B?hne des Ged?chtnisses wird ein St?ck aufgef?hrt, das er kennt, denn er ist eine der zwei Hauptfiguren.
Autor: | Gleichauf, Ingeborg |
---|---|
ISBN: | 9783492306294 |
Sprache: | Deutsch |
Produktart: | Kartoniert / Broschiert |
Verlag: | Piper Taschenbuch |
Veröffentlicht: | 19.01.2015 |
Untertitel: | Eine Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit | Die große Biografie des berühmtesten Paars der deutschsprachigen Literatur |
Schlagworte: | Bachmann, Ingeborg Biedermann und die Brandstifter Biografie: Schriftsteller Biografien: allgemein Biografien und Sachliteratur Der gute Gott von Manhattan Deutsche Schriftstellerin Erinnerungen (div.) s.a. Einzelperson Frisch, Max Gruppe 47 Hass Intimität Liebesbriefe Literat Montauk Siegfried Unseld deutsche Lyrik entspannen Öffentlichkeit |
Anmelden