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Die Untersuchung von Heinrich Heines (1797-1856) Umgang mit Mythos und Mythologie kann einen Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion über das Problem 'Mythos und Moderne' leisten. Heines Interesse gilt dem Weltbild, das sich mit dem phänomenologischen Begriff des mythischen Denkens beschreiben läßt. Die relative Fremdheit dieses Denkens fällt jedoch aus den synkretistischen Denktraditionen heraus, die den kulturhistorischen Horizont von Heines Mythologie bilden. Auch Heine empfängt Impulse vom frühromantischen Programm der 'neuen Mythologie' und partizipiert deshalb an der Umwertung des Volksglaubens in der spätromantischen 'deutschen Mythologie'. Indes mißlingt schon in der "Harzreise" der Versuch, die im 'Volk' noch lebendigen mythischen Vorstellungen im romantischen Wunschbild vom Volk aufgehen zu lassen. Und auch in jenen Teilen der Essays über Deutschland, in denen Heine den 'altgermanischen Pantheismus' als Vorausdeutung auf die künftige pantheistische Revolution der Deutschen interpretieren will, macht sich die kulturelle Fremdheit des Mythos gegen seine aktualisierende Allegorese geltend. In der Börne-"Denkschrift" demonstriert Heine deshalb die Differenz zwischen mythischer und nichtmythischer Zeichenordnung, und er lenkt den Blick auf die gefährliche Durchschlagskraft der politisch motivierten Leugnung dieser Differenz durch die 'teutomanischen' Vertreter der deutschen Nationalbewegung. Doch die kritische Rede über den Mythos trennt sich auch hier nicht von der mythosartigen Rede; Heine gibt zu verstehen, daß der mythologische, von den Dichtern geerbte 'Bilderdienst' irreduziblen Bedürfnissen gehorcht, die das moderne Weltbild nicht zu kompensieren vermag. Eine Lösung des kulturellen Konflikts zwischen Mythos und Moderne zeichnet sich nicht ab. Aber der aus dem Konflikt resultierende destruktive Kreislauf von Verdrängung und Revolte, Götterdämmerung und Götteraufstand, kann unterbrochen werden, wie Heine in der späten Schrift "Die Götter im Exil" zeigt: Indem er hier die Travestie der Götter als moderne Form ihres Exils gestaltet, gelingt es ihm, sowohl die Fremdheit des Mythos als auch seine Lebendigkeit erfahrbar zu machen. The series Studien zur deutschen Literatur (Studies in German Literature) presents outstanding analyses of German-speaking literature from the early modern period to the present day. It particularly embraces comparative, cultural and historical-epistemological questions and serves as a tradition-steeped forum for innovative literary research. All submitted manuscripts undergo a double peer-review process.
Autor: Winkler, Markus
ISBN: 9783484181380
Auflage: 1
Sprache: Deutsch
Seitenzahl: 310
Produktart: Gebunden
Verlag: De Gruyter
Veröffentlicht: 25.10.1995
Untertitel: Zur Erfahrung kultureller Fremdheit im Werk Heinrich Heines
Schlagworte: Deutsche Sprachwissenschaft, Deutschsprachige Literaturwissenschaft European General Jewish History German HISTORY Heine Heinrich Jewish LITERARY CRITICISM Mythos

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