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Mit der rasch zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Bürgertums ab etwa 1870 wurden in Europa und Amerika private Vereine, Fonds und Gesellschaften gegründet, um archäologische Expeditionen in die „Länder der Bibel“ zu finanzieren, die staatliche Institutionen wie Universitäten und Museen sowie Akademien der Natur- und Geisteswissenschaften ergänzten. Die Erforschung der Geschichte des Alten Orients diente von Anfang an der Reflexion des „westlichen“ Selbstverständnisses und lieferte die Grundlage für die Projektion der Weltanschauung. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Professionalisierung archäologischer Disziplinen ermöglichten Gelehrtengesellschaften auch Laien, Amateuren und Dilettanten die Teilnahme an wissenschaftlichen Debatten und die Verbreitung bestimmter konzeptioneller Rahmen dessen, was als „Alter Orient“ wahrgenommen wurde. Hinter der Bewegung standen unterschiedliche Motivationen, aber auch jeweilige „nationale“ Kulturen in der Wissenschaft. Obwohl wirtschaftliche und strategische Interessen in diesem „Zeitalter des Imperiums“ eine entscheidende Rolle spielten, sollte der Historiker andere Faktoren nicht ignorieren. Angesichts der zentralen Bedeutung des alten Nahen Ostens als „Wiege“ von nicht weniger als drei Weltreligionen sowie der frühesten Staaten und sogar Imperien der Weltgeschichte wurde es für europäische und andere „westliche“ Nationen zu einer Prestigefrage, ihre Museen mit Objekten aus dieser fernen Vergangenheit zu füllen – Objekte, die mit den Ursprüngen ihrer „eigenen“ Kultur, wie sie sie wahrnahmen, in Zusammenhang standen. Darüber hinaus darf die exotische Anziehungskraft des „Orients“ nicht vergessen werden, denn er diente als Mittel der Selbstbestätigung in Abgrenzung zum orientalischen „Anderen“, und legitimierte die koloniale Ausbeutung und die Semantik einer „Bürde des weißen Mannes“, eine zivilisierende „Mission“ und eine kulturelle Verantwortung für den Orient aus sich zu nehmen. Nach den vielen politischen Umwälzungen infolge des Ersten Weltkriegs entstanden neue Vereinsformen, um den Verlust staatlicher Mittel auszugleichen, aber auch um den Verlust zuvor fest verankerter Weltanschauungen zu beheben. Eine systematische und transnationale Untersuchung dieser Zusammenhänge bleibt ein Desiderat. Dieser Band mit Beiträgen von Historikern und Archäologen sowie Vertretern anderer Disziplinen aus verschiedenen Ländern bietet die Grundlage für einen wirklich interdisziplinären Diskurs, der sich auf orientalische Gesellschaften als Mittel gesellschaftlicher Selbstbehauptung konzentriert. With the rapidly increasing economic importance of the bourgeoisie beginning ca 1870, Europe and America witnessed the creation of private associations, funds, and societies to finance archaeological expeditions in the ‘Lands of the Bible’, complementing state-run institutions such as universities, museums, and academies of sciences and the humanities. From the very first, research into the history of the ancient Near East served to reflect ‘Western’ self-perception and provided the foundation for the projection of Weltanschauung. Against the background of increasing professionalization of archaeological disciplines, learned societies also enabled laypersons, amateurs, and dilettantes to participate in scholarly debate and to promulgate certain conceptual frames of what was perceived as the ‘Ancient Orient’. Behind the movement lay different motivations but also respective ‘national’ cultures in academia. In fact, while economic and strategic interests during this ‘Age of Empire’ played a pivotal role, the historian should not be blind to other factors. Given the central importance of the ancient Near East as the ‘cradle’ of no less than three world religions, as well as the earliest states, even empires, in world history, it became a matter of prestige for European and other ‘Western’ nations to fill their museums with objects from that distant past era – objects which were related to the origins of their ‘own’ culture, as they perceived it. Furthermore, the exotic appeal of ‘the Orient’ must not be forgotten, for it served as means of self-affirmation in contrast to the Oriental ‘other’, legitimizing the colonial exploitation and semantics of a ‘white man’s burden’ or a civilizing ‘mission’, but also defining a cultural responsibility. After the many political upheavals resulting from World War I, new forms of associations evolved to compensate for the loss of state-funding but also to remedy the loss of previously firmly established world views. A systematic and transnational study of these associations remains a desideratum. This volume, with contributions by historians and archaeologists, along with representatives of other disciplines from different countries, provides the basis for a truly interdisciplinary discourse, focusing on Oriental Societies as a means of societal self-assertion.
ISBN: 9783963272486
Sprache: Englisch
Seitenzahl: 323
Produktart: Gebunden
Herausgeber: Gertzen, Thomas Matthes, Olaf
Verlag: Zaphon
Veröffentlicht: 22.07.2024
Untertitel: Associations, Funds and Societies for the Archaeological Exploration of the ‘Ancient Near East’
Schlagworte: Forschungsgeschichte Forschungsgesellschaften Orient

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