
Miteinander: Eine Reise durch heimische Biotope
Miteinander durch ausgewählte Biotope Mitteleuropas wandern!
Das können Sie nun auch von zu Hause aus, in dem Sie einen Blick in unser neues, wunderschön-illustriertes Buch «Miteinander» wagen. Darin reisen wir durch diverse Lebensräume, wie Wälder, Äcker, Wiesen, Gewässer und mehr und treffen dabei auf verschiedenste heimische Lebewesen wie Tiere, Pflanzen oder Pilze.
In den sachkundigen Texten der Biologin Elke Zippel erfahren wir mehr über einzelne Lebewesen; wir lernen Details zu ihrem Verhalten, ihrem Vorkommen und zum Zusammenleben untereinander. Die Ausführungen werden durch die lebensnahen und faszinierenden Illustrationen von Johann Brandstetter ergänzt und machen das Buch so zu einem wahren Schatz!
Damit Sie gleich eine konkrete Vorstellung davon erhalten, wollen wir Ihnen passend zur Herbstzeit drei Lebewesen aus den Räumen Feld, Wald und Gewässer näherbringen.
Na, kommen Sie mit auf die Reise?
Am Gewässer: Der Eisvogel
Nicht alle Vögel verlassen uns im Winter. Zu den Arten, die als sogenannte Standvögel den Winter in Mitteleuropa verbringen, gehört der Eisvogel (Alcedo atthis).
Besonders kalte Winter, wie sie vor allem im Osten Mitteleuropas immer wieder vorkommen, in denen Seen und Flüsse über mehrere Wochen zufrieren können und dem Eisvogel die Jagd verunmöglichen, sorgen für gelegentliche Bestandseinbußen. In der Regel erholen sich die Bestände aber relativ schnell, vorausgesetzt, die Wasserqualität der Jagdgebiete verschlechtert sich nicht.
Ein fliegendes Juwel – so präsentiert sich der Eisvogel, wenn er auf der Jagd nach Fischen, Fröschen, Kaulquappen und auch aquatischen Insekten wie Wasserwanzen, Käfer- und Libellenlarven von einer Sitzwarte losfliegt, mit angelegten Flügeln im Sturzflug ins Wasser gleitet und mit oder auch ohne Beute im Schnabel wieder auftaucht. Der auffällige bunte, orange-blaue Vogel, der etwa so groß wie ein Star ist, besiedelt die Ufer sauberer, stehender oder langsam fließender Gewässer. Hier gräbt er in Böschungen oder in den Wurzelscheiben umgestürzter Bäume seine bis knapp einen Meter tiefen Nisthöhlen. Häufig hört man zuerst seinen Ruf, ein kurzes, scharfes «ziii», bevor man ihn knapp über der Wasseroberfläche dahinfliegen sieht.
In Feld und Flur: Der Acker-Rittersporn
Durch den technischen Fortschritt ist die Saatgutreinigung inzwischen derart perfektioniert, dass Nahrung und Saatgut durch Ackerunkraut-Samen nicht oder nur minimal verunreinigt sind. Aber auch noch heute gelangen Unkrautsamen mühelos von einem Feld zum anderen: Mit Erde, die im Profil der Traktorenreifen oder an großen und kleinen landwirtschaftlichen Maschinen haftet.
So kann der Acker-Rittersporn (Consolida regalis), der mit dem Ackerbau aus dem Vorderen Orient kam, auch noch heute trotz perfekter Saatgutreinigung von einem Feld auf das nächste gelangen. Der durch Alkaloide leicht giftige Feld-Rittersporn ist zwar seltener geworden, aber noch hier und da auf kalk- oder zumindest basenreichen Äckern in warmen Gebieten zu finden. Inzwischen ist er als Zierpflanze beliebt und bietet sich als blühfreudiger Lückenfüller im Stauden- und im Gemüsebeet an.
Es lohnt sich, die kleinen schwarzen Samen der Ackerunkräuter genauer zu betrachten. Unter einer starken Lupe werden wunderschöne Strukturen sichtbar. So haben Mohn-Samen feine Runzeln und die Samen des Feld-Rittersporns dicht stehende, kräftige und glänzende Schuppen, mit denen sie an der Erde oder vielleicht auch im Fell eines Tieres haften bleiben, nachdem sie aus ihren Früchten gefallen sind. Rittersporn-Samen keimen zu einem Teil im Herbst. Ab Oktober sind die Rosetten mit den fein zerschlitzten Blättern zu finden, die auch niedrige Temperaturen recht unbeschadet überstehen können. Ein anderer Teil der Samen keimt im Frühjahr. Eine gute Strategie, denn die zeitige Keimung im Herbst gibt den Jungpflanzen einen Wachstumsvorschub, sodass die Pflanzen nach dem Winter gleich in die Höhe wachsen können. Sollte der Winter doch zu streng gewesen sein und die Herbstkeimlinge vernichtet haben, sorgen die im Frühjahr auflaufenden Keimlinge für den Fortbestand der Population. Die Blütezeit des Acker-Rittersporns ist lang. Sie beginnt im Juni und kann bis zum Frost andauern. Die zarten Blüten werden vor allem von Hummeln aufgesucht, deren Rüssel lang genug ist, um an den im langen Sporn der Nektarblätter befindlichen Nektar gelangen zu können. Es sind meistens langrüsselige Hummeln, die bequem durch den weiten Eingang in die Blüte krabbeln können, allen voran die Garten-Hummel (Bombus hortorum).
Auch Schmetterlinge können mit ihrem langen Rüssel bequem an den Nektar gelangen, bestäuben aber nicht die Blüte. Kurzrüsselige Wildbienen wie Erdhummeln oder Wollbienen sind zuweilen Nektardiebe und beißen mit kräftigen Mundwerkzeugen kurzerhand ein Loch in den Sporn, um an den Nektar zu gelangen.
Im Wald: Der Grüne Knollenblätterpilz
Wenn im Spätsommer die Tage kürzer und die Nächte kühler werden, ist die Zeit der Pilze gekommen. Doch das, was wir im Wald und auf den Wiesen finden, ist nur der oberirdische Teil des Pilzes. Nur rund fünf Prozent machen die Fruchtkörper aus, in denen die Pilze ihre staubfeinen Sporen bilden. Die übrigen 95 Prozent des Pilzes sind zarte Fäden, das Mycel, mit denen sie ihr Substrat durchziehen.
Pilze können nicht wie Pflanzen mithilfe von Sonnenlicht, Wasser und Kohlendioxid Zucker synthetisieren, sondern sind wie Tiere auf organische Nahrung angewiesen. Die Nahrung erschließen sie sich auf unterschiedliche Weisen, die zuweilen auch kombiniert werden. Einige Pilze parasitieren auf Tieren oder Pflanzen und sind zum Teil wirtschaftlich bedeutende Krankheitserreger wie der Echte und der Falsche Mehltau. Die meisten Pilze leben davon, organisches Material von Pflanzen, Tieren oder anderen Pilzen zu zersetzen. Damit sind sie zusammen mit Bakterien und verschiedenen bodenbewohnenden Tieren für die Stoffkreisläufe in terrestrischen Lebensräumen von herausragender Bedeutung.
Wer Champignons für den Verzehr sammeln möchte, muss sich intensiv mit den verschiedenen, sehr ähnlichen Arten auseinandersetzen, denn nicht alle Champignons sind essbar. Allerdings gehen Verwechslungen meist recht glimpflich aus, denn die giftigen Champignons verursachen lediglich Übelkeit, Erbrechen und andere unschöne Zustände. Gefährlich wird es erst, wenn die Pilzsammlerin oder der Pilzsammler einen Champignon mit einem Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides) verwechselt, dessen Verzehr schon in geringen Mengen beim Menschen tödlich endet. Der Knollenblätterpilz unterscheidet sich von Champignons durch die stets vorhandene knollige Stielbasis und durch die stets weißen Lamellen auf der Hutunterseite.
Der Knollenblätterpilz ist ein Pilz des Waldes und gehört zur Gruppe der Pilze, die eine Symbiose mit Bäumen eingehen. Meist sind es Eichen, deren Wurzelspitzen er mit seinem Mycel umwuchert und deren Oberfläche dadurch vertausendfacht wird. Der Pilz nimmt Wasser und Nährstoffe aus dem Boden auf und gibt sie dem Baum weiter. Im Gegenzug erhält der Pilz vom Baum Zucker für seinen eigenen Stoffwechsel. Mit bis zu einem Drittel des selbst produzierten Zuckers kann ein Baum seinen sogenannten Mykorrhiza-Pilz (Mykorrhiza = Symbiose zwischen Pilzen und Pflanzen) versorgen. Bei dieser Ektomykorrhiza genannten Symbiose (von griech.ekto = außerhalb) dringt der Pilz nicht in die Wurzelzellen ein.
Illustrationen: ©Johann Brandstetter
Johann Brandstetter, Künstler und Illustrator, wurde schon mehrfach für seine Werke ausgezeichnet. Seit 2014 zählt er zu den „200 Best Illustrators Worldwide“. Er ist spezialisiert auf Naturthemen. Schmetterlingen gilt sein besonderes Interesse – einige Schmetterling wurden nach ihm benannt. Das 2017 gemeinsam mit Josef H. Reichholf herausgegebene Werk „Symbiosen“ wurde von Bild der Wissenschaft zum „Schönsten Wissensbuch 2017“ ernannt.
Dr. Elke Zippel ist Kustodin der Dahlemer Saatgutbank am Botanischen Garten Berlin. Sie ist u.a. für die Sammlung und Sicherung von Wildpflanzensamen sowie für Wiederansiedlungen seltener Pflanzenarten verantwortlich. Elke Zippel studierte an der Freien Universität Berlin Biologie mit den Schwerpunkten systematische Botanik und Zoologie, Geobotanik und Ökologie und promovierte anschließend über Moose der Kanarischen Lorbeerwälder.