
«Permakultur» im Gemeinschaftsgarten
Viele Menschen, die in der Stadt leben, wünschen sich wieder mehr Kontakt zur Natur und merken, dass sie bei der Gartenarbeit wunderbar entspannen können. Sie genießen das lebendige Grün und die vielfältige bunte Umgebung im Garten. Sie wollen, dass ihre Kinder in engerem Kontakt zur Natur aufwachsen und miterleben wie das Gemüse, das sie essen, gepflanzt, gepflegt und geerntet wird.
Nun verfügen aber gerade in der Stadt längst nicht alle über einen Garten – Grundstücke fürs Gärtnern und Anpflanzen des eigenen Gemüses sind rar. Aus diesem Grund haben sich in vielen Städten Menschen zusammengeschlossen, um auf einem Grundstück, das brach- oder am Rande der Stadt liegt, gemeinsam einen Gemüsegarten anzulegen. Permakultur und Gemeinschaftsgarten haben viel miteinander zu tun, kann doch die Permakultur beim Planen und Gestalten des Grundstücks angewendet werden, aber ebenso auch bei der Zusammenarbeit der Gruppe und dem gemeinsamen Bewirtschaften des Gartens.
Das folgende Beispiel stammt aus unserem Buch «Permakultur», das vor Kurzem in der 2. Auflage erscheinen durfte. Eine der Autor:innen, Eva Bührer, zeigt uns darin ausführlich, wie man einen Permakultur-Gemeinschaftsgarten von der Idee bis zum fertigen Garten umsetzt und was es dabei alles zu beachten gibt.
Auf dass Sie, liebe Leser:innen, die nötige Inspiration finden, um vielleicht selber einmal ein derartiges Permakultur-Projekt Realität werden zu lassen …
LEBENSFREUDE MIT ANDEREN TEILEN
Einen Permakultur-Gemeinschaftsgarten umsetzen
von HauptAutorin Eva Bührer
Der Gemeinschaftsgarten ist ein Ort des gemeinsamen Lernens, Austauschens und Arbeitens. Auch das Genießen und das gemeinsame Feiern sollen nicht zu kurz kommen. Gleichgesinnte Menschen lernen sich kennen und schätzen und bekommen als Gruppe auch politisch mehr Gewicht. Die Wünsche der einzelnen werden gebündelt und Synergien bestmöglich genutzt.
Und die Verantwortung für den Garten wird auf verschiedene Schultern verteilt. Ebenso kann der Gedanke der Permakultur weiterverbreitet werden und ein Gemeinschaftsgarten als Beispiel für ähnliche Projekte dienen.
Gemeinschaft entsteht
Als Erstes luden wir alle Interessierten zu einem Treffen und Kennenlernen ein. Wir tauschten unsere Vorstellungen aus und erzählten von unseren Hintergründen und Motivationen. Sinnvollerweise beginnt man mit einer Traumsequenz, bei der jede Person sagen kann, wovon sie in Verbindung mit dem Gemeinschaftsgarten träumt, was der Garten können soll und was sie einbringen will und kann.
UNSER GRUNDSTÜCK ÜBER DER STADT
Ohne Grundstück kann kein Gemeinschaftsgarten entstehen. Die erste Herausforderung der Gruppe bestand also darin, ein Stück Land für den Garten zu finden.
Das Grundstück beschaffen
Stadtentwicklung ist heute ein wichtiges Thema – dementsprechend existieren überall Anlaufstellen für solche Anliegen. Es musste das richtige Amt gefunden werden. In unserer Stadt gibt es ein Büro für Quartierentwicklung, das zuständig ist für die Initiativen der Menschen aus den Stadtteilen. Mit diesem Büro nahmen wir Kontakt auf. Allerdings wird nicht mit Einzelpersonen verhandelt. Wir gründeten daher sogleich einen Verein, damit das Anliegen mehr Seriosität und Gewicht erhielt. Im Internet finden sich alle nötigen Informationen, die man für eine Vereinsgründung braucht.
Der Verein bereitet sich vor
In der Zwischenzeit ist es förderlich, Vereinsmitglieder zu finden, eine Betriebsgruppe für den Garten zusammenzustellen und Geld für den Betrieb zu akquirieren. In unserem Fall stellte uns das Büro für Quartierentwicklung mit der Bewilligung auch etwas Startkapital zur Verfügung. Zudem durften wir einen bestehenden Businessplan verwenden, den wir für unser Anliegen änderten. So bekamen wir auch Geld von einer Stiftung. Ein knappes Jahr später war dann entschieden, auf welchem Stück Land wir gärtnern durften. Wir trafen klare Abmachungen mit der Stadtgärtnerei und der Betrieb wurde vorerst für ein Gartenjahr bewilligt. Die Erlaubnis kam im Herbst, so konnten wir den Winter bestens nutzen, um alle Interessierten kennenzulernen, das Land zu beobachten und alles für den Gartenstart im Frühling vorzubereiten.

Ein Grundstück für den zukünftigen Gemeinschaftsgarten, Blick gegen Süden. Die Obstbäume im Hintergrund gehören zur Stadtgärtnerei. Wildkräuter im Garten geben Hinweise auf die Bodenqualität.
WIE SOLL DER GARTEN AUSSEHEN?
Im ersten Winter begannen wir mit der Planung oder dem Design. Wir überlegten also, wie wir den Garten einteilen können, welche Zonen wir wo realisieren wollen.
Zonenplanung
Im Gemeinschaftsgarten ist die Zonierung etwas anders als sonst in der Permakultur üblich, da wir vor allem Gemüse anpflanzen und Früchte und Beeren ernten wollen. Die Zonen 3 und 4 (Wald) fehlen, da das Gelände zu klein ist und die Einschränkungen zu groß sind. Tiere zu halten ist kaum möglich, da niemand täglich im Garten ist und zudem der Fuchs dort lebt. Er schläft gerne auf den Heukartoffeln. Eine kleine Wildniszone (5) ist hinter der Wildhecke eingeplant mit Ast- und Steinhaufen, wo sich Nützlinge niederlassen und Futter finden können. Für unseren Garten ergeben sich die Zonen 0 (in diesem Fall ein Sitzplatz), 1/2, 4 (Obstbäume) und 5.
Schichten und Stapeln
Wichtiger als die Zonierung ist für unseren Garten die räumliche Anordnung, also der zehnte Permakulturgrundsatz. Alles soll so angeordnet werden, dass die Elemente miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig nützen können sowie eine optimale Ausnutzung von Sonne und Schatten gewährleistet ist. Das Schichten und Stapeln (wie auf S.82 im Buch «Permakultur» beschrieben) ist in diesem Fall sinnvoll. Mit den höchsten Bäumen im Norden ergibt sich ein Schutzwall gegen kühle Winde, eine Sonnenfalle, die das Gemüse im Süden geschützt wachsen lässt.
ENDLICH WIRD’S KONKRET
Gegen den Frühling hin konnten wir endlich mit der Handarbeit anfangen und umsetzen, was geplant wurde. Und schon kam der erste Stolperstein, die Wiese.
Was tun wir mit der Wiese?
Bei der Diskussion über die Umgestaltung der Wiese in Gemüsebeete gab es zum ersten Mal unterschiedliche Meinungen. In der Permakultur ist es üblich, auf eine Wiese Karton zu legen, diesen mit Erde, Mist und Kompost zu bedecken und im Frühjahr dort hinein zu pflanzen. So wird das Wachstum der Wiese unterdrückt, die Bodenlebewesen bekommen reichlich Nahrung und es entsteht ein wunderbarer Humus. Dagegen stand die Meinung, man solle die Wiese wie im herkömmlichen Gartenbau üblich umgraben. Diese Schwerarbeit wollte sich die erste Gruppe nicht antun, die andere traute dem Karton mit den eventuell enthaltenen Fremdstoffen nicht. Die Lösung fanden wir, indem wir beides taten und schauten, welche Ergebnisse sich ergaben.
Auf der umgegrabenen Fläche wächst seither viel Hahnenfuß, den man nicht gebrauchen kann. Auf der Kartonfläche ist die Erde viel lockerer, humusreicher und fruchtbarer.
Die Zonen im Gemeinschaftsgarten
Der Sitzplatz (Zone 0) in der Südwestecke des großen Gartenteils lässt uns den Eingang und den gesamten Garten bestens überblicken. Es gibt wenig Schatten im Garten, hier kommt er gegen 15 Uhr, sodass man manche Pause im Schatten abhalten kann. Zone 1/2 ist der größte Teil des Gartens. Dort soll das Gemüse angebaut werden und ebenso Kräuter und Blumen wachsen. Die Gemüsebeete liegen in der Sonnenfalle vor den Bäumen, sie sind gut geschützt und besonnt. Die Fläche wurde in Beete für Gemüse, Kräuter und Blumen eingeteilt, am Rand wurden drei Hochbeete und das Tomatenhaus am sonnigsten Platz aufgebaut. Es soll im zeitigen Frühling auch als Anzuchthaus benutzt werden können.
Zone 4 liegt im Norden, wo sich mit der Zeit eine im Norden höhere, gegen Osten hin niedrigere Wildhecke bilden wird, die die Sonnenwärme im Garten halten hilft. Diese besteht aus Traubenkirsche, Weiden, Eberesche und Holunder. Davor wachsen Heidelbeeren, Johannisbeeren und Gojibeeren. Auch zwei Mittelstämmer, Zwetschge und Mirabelle, und drei geschenkte Kleinobstbäume sind in die Hecke gepflanzt. Der Platz für die Bäume wurde im ersten Jahr so lange nur gemäht, bis wir die Bäume im Herbst pflanzen konnten.
Dahinter, in der Nordecke, befindet sich die kleine Zone 5, das Nützlingsbiotop «Tierhausen». Dort liegen Totholz- und Steinhaufen und die Wiese wird nur zweimal jährlich geschnitten. Auch die Hecke entlang der Straße wird nicht bearbeitet. Der Kompostplatz kommt auf den kleinen Gartenteil im Süden und wird als Kompostgarten gestaltet, mit hohen Sträuchern, die den nötigen Schatten und Biomasse für den Kompost liefern.
Kompost, Mulch und Humus
In der Permakultur arbeitet man nach dem Vorbild der Natur, so auch beim Kompostieren. Regenwürmer machen mit vielen weiteren Organismen guten, dauerhaften Humus. Sie fressen Erde, Gras, Obst- und Gemüseabfälle, Blätter, Halme, Karton, Papier, Naturfasern, Reisig, Stängel, Federn, Haare, Kaffeesatz. Nach diesem Vorbild schichten wir den Komposthaufen auf. Nasse Schichten wechseln sich ab mit trockenen, feines Material mit grobem, großes mit kleinem. Dazwischen kommt Kleintiermist und das Ganze bekommt eine «Haut» aus langen Grashalmen. Dieser Haufen bleibt dann liegen, bis alle Bodenlebewesen ihre Arbeit gemacht haben und ein Humushaufen entstanden ist. Um noch mehr Humus herzustellen, werden die Beete gemulcht, das heißt, auf die nackte Erde zwischen den Setzlingen kommt eine Schicht Gras, Heu oder Blätter. Der Boden trocknet weniger aus und die Lebewesen im Boden bekommen genug Nahrung, die sie dann in Humus verwandeln. Ist die Schneckenpopulation im Garten groß, sollte die Mulchschicht nicht allzu dick sein. Schnecken verstecken sich gerne darunter in der feuchten Dunkelheit.
Saatgut und Setzlingsanzucht
Heutzutage streben die Großkonzerne danach, das gesamte Saatgut zu monopolisieren. Deshalb ist es enorm wichtig, alle Initiativen zu unterstützen, die echtes keimfähiges Saatgut sammeln und erhalten. Dieses Saatgut lässt sich vermehren und im nächsten Jahr wieder verwenden, zudem wird damit die Sortenvielfalt am Leben erhalten (Adressen für den Bezug von Saatgut finden sich im Anhang des Buches).
Wir bestellten viele Samen und zogen diese Anfang des Jahres zu Setzlingen. Damit sollte nicht zu früh begonnen werden, da man meistens mit dem Auspflanzen warten muss, bis der Boden genügend erwärmt ist und das Wetter sicher frostfrei bleibt. Das ist nicht vor Mitte Mai der Fall. Zunächst verteilten wir die Samen unter den Gärtnerinnen und Gärtnern. Wenn die Pflänzchen auf der Fensterbank gehegt und gepflegt werden, ist das nicht immer gut, weil es dort meistens zu warm ist, die Setzlinge aufschießen und keine starken Pflanzen ergeben. Entsprechend schnell werden sie dann von den Schnecken gefressen. Die Anzucht sollte besser in einem eher kühlen Raum stattfinden und die Setzlinge auch mit Kälte-, Wärme- und Trockenzeiten abgehärtet werden.
Für die Anzucht eignen sich alle möglichen mit Aussaaterde befüllte (Abfall-)Gefäße. Wenn die Setzlinge größer sind, also nach den Keimblättchen die ersten richtigen Blättchen wachsen, werden sie pikiert, das heißt vereinzelt. So kann aus jedem Setzling eine starke Pflanze heranwachsen, die nun mehr Platz und reichhaltigere Erde benötigt.
Mischkulturen und Fruchtfolgen
Ebenfalls im ersten Winter erstellten wir einen Pflanzplan mit Mischkulturen und Fruchtfolgen. Mischkulturen gelingen gut, wenn Pflanzen zusammen gesetzt werden, die aus verschiedenen Pflanzenfamilien stammen und sich gegenseitig unterstützen. Aus Tabellen kann man herauslesen, welche Pflanzen sich gut tun und welche eher nicht zusammenpassen (siehe Tabelle «Mischkultur» im Anhang). Fruchtfolge bedeutet, dass nicht jedes Jahr das gleiche Gemüse auf einem Beet angepflanzt wird. Der Boden würde zu stark ausgelaugt werden, da die Pflanzen stets die gleichen Nährstoffe brauchen würden. Besser ist es deshalb, eine Rotation festzulegen. Bei uns werden die Gemüsesorten im Uhrzeigersinn auf den Beeten angepflanzt, wobei nach den Leguminosen (Bohnen, Erbsen usw.) die Kohlarten folgen, da diese Starkzehrer sind und den von den Leguminosen angereicherten Stickstoff gut brauchen können (siehe auch Kapitel «Kleinflächiges Permakulturparadies im Hausgarten»).
WAS JETZT FOLGEN WIRD
Ich habe hier nur die ersten Schritte von der Idee bis zum Anfang des Gemeinschaftsgartens beschrieben. Dies soll als Anleitung zum Aufbau weiterer Gemeinschaftsgärten animieren. Der Aufbau ist uns gut gelungen. Ein Jahr nach der Idee konnten wir mit dem Gärtnern anfangen, zusammen mit gleichgesinnten jüngeren und älteren Menschen. Nach den Richtlinien der Permakultur sollte man über den Sommer beobachten, was wo gut oder weniger gut wächst, wie das Wetter und sein Einfluss auf den Garten war, was man wieder so, was anders machen würde. Wir müssen die Sitzung mit der Stadtgärtnerei abwarten, um zu wissen, ob wir überhaupt weiter im Garten bleiben dürfen. Auch über die Pflege des Gartens und über die Gemeinschaft werden wir uns Gedanken machen. Der Gruppenprozess wird beobachtet und gegebenenfalls besprochen. Wie das geht mit dem Arbeiten und Ernten ist sicherlich auch zu thematisieren. Und nicht zuletzt werden wir ein Erntedankfest feiern und die Land- und Geldgeber dazu einladen.
Fotos/Illustrationen: ©Eva Bührer
Christoph Bachmann (geb. 1968) pflanzte bereits während der Schulzeit Bäume. Auch heute noch spielen Bäume in seinem Garten (und in seinem Leben) eine wichtige Rolle. Überall, wo er wohnte, gab es zudem einen Gemüsegarten. Seit seinem Studium in Nachhaltiger Entwicklung befasste er sich intensiv mit der Permakultur. Heute erteilt er Kurse und versucht, die Prinzipien der Permakultur kreativ umzusetzen.
Eva Bührer (geb. 1948) interessierte sich schon seit Jugendtagen für indigene Völker und deren respektvollen Umgang mit der Natur. Ihr Weg führte über den biologischen Gemüseanbau für den Eigengebrauch zur Permakultur. Als Permakultur-Designerin liegt ihr vor allem der urbane Raum am Herzen.
Kurt Forster (geb. 1939) wurde schon als Kind mit dem Selbstversorgungsgarten vertraut. Kreislaufdenken, biologische Vielfalt, Aquaponic-Systeme und Paradiesgärten sind seine Lebensthemen. Als Lehrer und als Politiker engagierte er sich für Umwelterziehung und grüne Themen. Er bildete sich in Neuseeland, Australien und Sri Lanka zum Permakultur-Designer aus. Seit Jahrzehnten ist er journalistisch, als Permakultur-Kursleiter und Gartengestalter tätig.