
Der Traum vom Waldgarten
In «Praxisbuch Waldgarten» geben die Autoren Volker Kranz und Frederik Deemter Einblick in die Thematik «Waldgarten»: Auf Grund Ihrer langjährigen Erfahrung machen sie ihr Wissen für Einsteiger und Praktikerinnen zugänglich, zeigen auf, wie man einen Waldgarten selber planen und schließlich umsetzen kann.
Doch was genau versteht man eigentlich unter dem Begriff «Waldgarten» und wie ist ein solcher aufgebaut?
Mit einem Blick ins Buch wollen wir dieser Frage auf den Grund gehen. Und wer weiß, vielleicht gerät der eine oder die andere Gartenbeigeisterte in «Waldgarten-Versuchung».

©Volker Kranz und Frederik Deemter
Was ist ein Waldgarten?
Der Waldgarten ist ein wichtiges Element der Permakultur. Unter Permakultur versteht man grob gesagt eine «dauerhafte (Perma-) Kultivierung/ Landwirtschaft (-kultur)», was so viel bedeutet wie: eine nachhaltige Form der Landwirtschaft oder des Gartenbaus, die auf natürlichen Kreisläufen aus der Natur basiert, welche man sozusagen nachahmt. Das System Waldgarten ist also nachhaltig und besonders vielseitig, da es einem waldähnlichen System entspricht, in dem sowohl Obst, Gemüse als auch Nüsse angebaut werden.
Doch warum ist ein gemischtes Gartensystem bestehend aus Gehölzen, Sträuchern und Kräutern anstrebenswert? Weil dadurch der Boden geschont wird, Tiere vermehrt Unterschlupfmöglichkeiten finden und dadurch auch wichtige Symbiosen zwischen einzelnen Pflanzen, Pilzen und Tieren entstehen können. Zudem entspricht ein derart gemischtes System der natürlichen Umwelt.
Aus unterschiedlichen Gründen hat sich aber in unseren Breitengraden vermehrt eine Monokultur-Landwirtschaft eingestellt, die vermehrt mit einjährigen Kulturen bewirtschaftet wird. Auf Dauer ist diese Art der Landwirtschaft nicht nachhaltig und funktioniert auch nicht mehr ganz einfach, da der Boden mit der Zeit durch die einteilige Nutzung an Fruchtbarkeit einbüßt. Diesen Monokultur-Teufelskreis kennen wir z.B. aus Teilen des Amazonas, wo ganze Wälder gerodet werden, um Palmölplantagen anzubauen. Durch die Rodung geht ein großes Stück Ökosystem verloren, Tiere verlieren ihr Zuhause und nach wenigen Jahren ist der Boden nicht mehr fruchtbar und kann so auch nicht mehr weiter genutzt werden. Dies hat zur Folge, dass ein neuer Teil des Waldes gerodet werden muss und das Ganze beginnt von vorne.
Mischkulturen bestehend aus mehrjährigen Pflanzen, Sträuchern und Bäumen sind nachhaltig und bilden ein ineinander greifendes funktionierendes System, von dem wir zuletzt auch durch ausreichend Sauerstoff und Nahrung profitieren.
Martin Crawford, ein Pionier der Waldgärten in den gemäßigten Breiten, erklärte einmal:
„Was wir in Sachen Lebensmittelproduktion für normal halten, ist eigentlich überhaupt nicht normal. Einjährige Pflanzen sind sehr selten in der Natur, doch die meisten unserer landwirtschaftlichen Felder sind mit einjährigen Pflanzen besetzt. Das ist nicht normal. Was hingegen normal ist, ist ein eher bewaldetes oder halbbewaldetes System.“
Doch warum hat sich in unserer Landwirtschaft keine Tradition durchgesetzt, die der Idee des Waldgartens ähnelt? Zum einen kam es immer wieder vor, dass die landwirtschaftlichen Produktion mit Bäumen bewusst unterbunden wurde; dass beispielsweise Prämien für die Fällung von Obsthochstämmen gezahlt wurden.
Aber auch im Mittelalter gab es bereits Bestrebungen, die Landwirtschaft mit Gehölzen klein zu halten. Der Erzbischof von Florenz hat im Mittelalter den Anbau der Blumenesche (Fraxinus ornus), aus der das sogenannte Manna – ein süßer Saft – gewonnen wird, untersagt. Das Leben wurde durch diese Form der Landwirtschaft zu einfach, die Menschen sollten seiner Ansicht nach lieber hart arbeiten. Ähnliches berichtet man aus dem mittelalterlichen Frankreich, wo der Anbau der Esskastanie verboten werden sollte, da die Waldgärtner mit ihrer einfachen Art der Landwirtschaft nicht mehr für den Krieg zu gebrauchen waren.
Zudem ist der Begriff «Wald»-garten womöglich etwas unglücklich gewählt. Es gibt und gab schon früher z. B. in tropischeren Regionen sogenannte «Food forests», welche dem Grundprinzip eines Waldgartens entsprechen. In unseren Breitengraden ist es jedoch leider kaum möglich einen dichten urwaldartigen Waldgarten zu kreieren, welcher mit diversen Etagen unterschiedlichste Pflanzen aufweist und riesige Ernteerträge bringt. Dies liegt zum einen an den übers Jahr hinweg stark variierenden Temperaturunterschieden, zum anderen an der schwächer ausfallenden Lichtintensität, auf welche die Mehrzahl der Pflanzen angewiesen sind.
Ein Waldgarten in den gemäßigten Breiten besteht also nicht aus sieben oder mehr Etagen, sondern ist aufgebaut aus den drei Schichten Baumschicht, Strauchschicht, Krautschicht und ähnelt nicht ganz einem Wald, wie wir ihn kennen, sondern viel mehr einem «Stretch-Wald», damit die ausreichende Lichtversorgung zwischen den Gehölzen gewährleistet werden kann.

Waldgärten sind lichte, sehr vielschichtige Gehölzsysteme – ©Carolin Hüllwegen und Leonie Thiele /Büro baumrausch
«Praxisbuch Waldgarten»
Im Laufe des Buches gehen Volker Kranz und Frederik Deemter auf die Herangehensweisen bei der Umsetzung eines Waldgartens ein: Die Dynamik und das System «Waldgarten» wird erklärt und mögliche Designs und Planungsstrategien aufgeführt. Zuletzt wird auf verschiedenste geeignete Pflanzenarten eingegangen und erklärt, was es beim Einsatz von entsprechenden Gehölzen, Sträuchern, Kräutern oder Pilzen in einem Waldgarten zu beachten gibt.
Passend zur Saison haben wir hier drei mögliche Waldgarten-«Bewohner» mit typisch herbstlicher Ernte ausgewählt, auf welche man in seinem Traum-Waldgarten stoßen könnte:
Die Gewöhnliche Berberitze (Berberis vulgaris)

©Volker Kranz und Frederik Deemter
Ein Prachtexemplar für den Waldgarten: Unzählige rote, essbare Früchte. Im Frühling ein Insektenmagnet. Viele gesunde Inhaltsstoffe und unendlich viele Rezepte im Internet. Berberitzen- Reis ist im Orient ein Traditionsessen. Jede Region hat ihre eigenen Rezepte und Traditionen. Gerne werden die Früchte mit frischem Safran in Öl angebraten, wodurch eine lecker-knusprige Kruste entsteht. Wer schon getrocknete Berberitzenbeeren schätzt, sollte unbedingt die frischen ausprobieren. Denn dann wird gleich klar, warum sie geläufig Sauerdorn genannt wird: Die Früchte sind extrem sauer! Weil sie aber so klein sind, ist das gar kein Problem und so bereichern sie, wohl dosiert, jedes Gericht mit einer kleinen, sauren Geschmacksexplosion.
Winterhärtezone: ab Zone 3 aufwärts (Regionen Deutschland-Österreich-Schweiz umfassen Zone 6-8; je tiefer die Zonen-Nummer, umso kälter die Region.)
Merkmale: Essbare, 1 cm große, saure, rote Früchte. 3 m hoher Strauch.
Kultur: Bevorzugt Sonne und leicht feuchten Boden, überlebt aber auch auf weniger geeigneten Standorten.
Vermehrung: Die Vermehrung über Wurzelausläufer im Spätwinter ist durch Abstechen möglich. Außerdem kann die Berberitze über Stecklinge und Samen vermehrt werden.
Die Walnuss (Juglans regia)

©Volker Kranz und Frederik Deemter
Ein mächtiger Baum. Um eine Befruchtung zu sichern, sollten am besten mehrere Walnüsse gepflanzt werden. An einem Baum befinden sich männliche und weibliche Blüten, die oft zu unterschiedlichen Zeiten blühen. Bekannt ist, dass der Walnussbaum gewisse Stoffe produziert, die das Wachstum anderer Pflanzen hemmen können, vor allem das von Apfelbäumen, Pinien, Tomaten und Kartoffeln, meint die Fachliteratur. Jedenfalls ist die Walnuss für einige Pflanzen nicht der optimale Nachbar, und das sollte man bei der Planung bedenken. Es gibt eine enorme Auswahl an Walnuss- Sorten. Neben dem üblichen Verzehr der Nüsse wird die Verwendung von jungen Nüssen immer beliebter. Diese werden im Juni mit Haut und Haar als «schwarze Nüsse» eingelegt oder dienen als Basisgewürz von «Vin de Noix», einer Weinmixtur. Die Walnuss-Gattung ist variantenreich und es gibt mehrere Arten, die für den Waldgarten geeignet sind.
Winterhärtezone: ab Zone 5 (Regionen Deutschland-Österreich-Schweiz umfassen Zone 6-8)
Merkmale: Essbare Nüsse und Verarbeitung der jungen Nüsse. Baumsaft.
Kultur: Der Standort sollte gut drainiert (Entwässern des Bodens) sein. Die Walnuss gedeiht sowohl auf leicht alkalischen als auch auf sauren Böden. Da sie eine Pfahlwurzel bildet, sollte sie nicht umgepflanzt werden oder nur mit größter Sorgfalt sehr tief ausgegraben werden, um die Wurzeln nicht zu schädigen.
Vermehrung: Die Nüsse kann man (geschützt vor kleinen Räubern) direkt in die Erde stecken oder im Kühlschrank in leicht feuchtem Sand überwintern.
Pilze im Waldgarten
In einem guten Waldgarten wimmelt es von Pilzen. Sie kommen mit der Zeit von allein und beleben das Waldgrundstück. Die Pilze bereichern den Boden, kompostieren totes Holz, befallen schwache Bäume und gehen mit den Bäumen eine Zweckgemeinschaft ein. Dabei finden die Pilzsporen über die Luft ihren Weg in den Waldgarten oder erobern vom Nachbargrundstück aus neues Gebiet. Dieser Prozess, die Besiedlung mit Pilzen, kann durch die Zugabe von gekauften Pilzmixturen beschleunigt werden. Der natürliche Verlauf kann teilweise gelenkt werden, um besonders schmackhafte oder nützliche Pilze im Waldgarten ernten zu können. Die Pilzzucht ist ein unheimlich interessantes Thema, das durchaus kompliziert werden kann, wenn man sich darin vertieft. Die Basisprinzipien für eine gute Ernte sind aber einfach und gut umsetzbar – und dann macht Pilzzucht richtig Spaß. Grundsätzlich gilt, dass wir den Pilzen die passende Nahrung in einer passenden Umgebung zur Verfügung stellen sollten.
So erzählt auch Frederik Deemter von seinen ganz persönlichen Erfahrungen – mit Morcheln:
Der kürzeste Witz im Waldgarten geht so: «Ich weiß, wie man Pilze züchtet.» Pilzzucht ist interessant, vielseitig, ertragreich – und vor allem mysteriös. Ich selbst sammele seit 25 Jahren Pilze und oben auf meiner Wunschliste stand seit Jahren: die Morchel. Gesucht und nie gefunden. Und was passierte? Als wir einmal im Urlaub waren, entdeckte mein Schwiegervater in unserem Waldgarten eine «Morchelplantage» (so sagte er). Auf einer alten Feuerstelle, wo wir Apfeltrester zwischengelagert hatten, fanden sie die perfekte Stelle und bescherten uns eine Ernte von 4 kg. Nicht wir hatten die Pilze gesucht, sondern sie hatten uns gefunden! Beim Nachlesen, wo sich sonst spontan Rund-Morcheln ansiedelten, wurde mir einiges klar. Morcheln sind kaum planbar, und die Pilzbibel von Paul Stamets beschreibt einige extreme Fundorte. Zum Beispiel impfte ein Student zum Spaß die Asche seines Barbequegrills mit Morchelsporen. Und siehe da: Ohne sich zu kümmern, bildeten sich nach einigen Monaten die ersten jungen Exemplare. Ein unerwarteter und seltsamer Erfolg!

Morchelzucht: Manchmal erscheint sie nur durch Glück – ©Volker Kranz und Frederik Deemter
Volker Kranz ist Dipl. Permakultur-Designer und leitet als Geschäftsführer das Permakultur-Planungsbüro der Firma baumrausch in Bremen. Die Permakultur-Prinzipien in lebendige Landschaften und ästhetische Lebensräume umzusetzen, ist der roter Faden in seiner Arbeit. Seit über 30 Jahren gibt er außerdem Permakultur-Designkurse an Hochschulen und an der Permakultur-Akademie, wo er auch als Tutor für Permakultur-Studenten arbeitet. Seine beruflichen Wurzeln beginnen mit einer Ausbildung als Baumschuler in Münster. Nach der Lehre gründete er 1984 einen der ersten ökologischen Landschaftsbaubetriebe in Deutschland. Auf der Suche nach passenden Gestaltungsmodellen lernte er wenige Jahre später die Vordenker der Permakultur in Deutschland kennen und widmet sich heute ganz der Gestaltung von Permakultur-Projekten und Waldgärten.
Frederik Deemter hat in 25 Jahren aus einer enormen Artenvielfalt ein selbstregulierendes Waldgartensystem in perfektem Gleichgewicht geschaffen. Nachdem er 2021 sein Lebensprojekt Essgarten verkauft hat, widmet er sich mit der gleichen Leidenschaft einem neuen, brachliegenden Thema: der menschlichen Lebensqualität.
Dabei nutzt er die vielen Parallelen zwischen menschlichem und pflanzlichem Wohlbefinden und ergänzt sie mit erfrischenden wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Das Ergebnis ist ein praktischer Ratgeber, mit dem jeder Mensch in jeder Situation sein optimales persönliches Biotop findet. www.vierhochzwei.com