Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen
Herzlich Willkommen!
Schweiz
  • Schweiz
  • Liechtenstein
  • Deutschland
  • Österreich
  • Vereinigtes Königreich
  • Griechenland
  • Irland
  • Island
  • Italien
  • Japan
  • Kanada
  • Luxemburg
  • Namibia
  • Niederlande
  • Norwegen
  • Portugal
  • Schweden
  • Spanien
  • Vereinigte Staaten von Amerika
  • Arabische Emirate
  • Polen
  • Ungarn
  • Türkei
  • Tschechische Republik
  • Slowakei
  • Rumänien
  • Brasilien
  • Israel
  • Australien
  • Belgien
  • Dänemark
  • Finnland
  • Frankreich
  • Bulgarien
  • Estland
  • Kroatien
  • Lettland
  • Litauen
  • Malta
  • Slowenien
  • Zypern
  • Afghanistan
  • Åland
  • Albanien
  • Algerien
  • Amerikanisch-Samoa
  • Andorra
  • Angola
  • Anguilla
  • Antarktika
  • Antigua und Barbuda
  • Argentinien
  • Armenien
  • Aruba
  • Aserbaidschan
  • Bahamas
  • Bahrain
  • Bangladesch
  • Barbados
  • Weißrussland
  • Belize
  • Benin
  • Bermuda
  • Bhutan
  • Bolivien
  • Bonaire, Sint Eustatius und Saba
  • Bosnien und Herzegowina
  • Botswana
  • Bouvetinsel
  • Britisches Territorium im Indischen Ozean
  • Kleinere Inselbesitzungen der Vereinigten Staaten
  • Britische Jungferninseln
  • Amerikanische Jungferninseln
  • Brunei
  • Burkina Faso
  • Burundi
  • Kambodscha
  • Kamerun
  • Kap Verde
  • Kaimaninseln
  • Zentralafrikanische Republik
  • Tschad
  • Chile
  • China
  • Weihnachtsinsel
  • Kokosinseln
  • Kolumbien
  • Union der Komoren
  • Kongo
  • Kongo (Dem. Rep.)
  • Cookinseln
  • Costa Rica
  • Kuba
  • Curaçao
  • Dschibuti
  • Dominica
  • Dominikanische Republik
  • Ecuador
  • Ägypten
  • El Salvador
  • Äquatorial-Guinea
  • Eritrea
  • Äthiopien
  • Falklandinseln
  • Färöer-Inseln
  • Fidschi
  • Französisch Guyana
  • Französisch-Polynesien
  • Französische Süd- und Antarktisgebiete
  • Gabun
  • Gambia
  • Georgien
  • Ghana
  • Gibraltar
  • Grönland
  • Grenada
  • Guadeloupe
  • Guam
  • Guatemala
  • Guernsey
  • Guinea
  • Guinea-Bissau
  • Guyana
  • Haiti
  • Heard und die McDonaldinseln
  • Staat Vatikanstadt
  • Honduras
  • Hong Kong
  • Indien
  • Indonesien
  • Elfenbeinküste
  • Iran
  • Irak
  • Insel Man
  • Jamaika
  • Jersey
  • Jordanien
  • Kasachstan
  • Kenia
  • Kiribati
  • Kuwait
  • Kirgisistan
  • Laos
  • Libanon
  • Lesotho
  • Liberia
  • Libyen
  • Macao
  • Mazedonien
  • Madagaskar
  • Malawi
  • Malaysia
  • Malediven
  • Mali
  • Marshallinseln
  • Martinique
  • Mauretanien
  • Mauritius
  • Mayotte
  • Mexiko
  • Mikronesien
  • Moldawie
  • Monaco
  • Mongolei
  • Montenegro
  • Montserrat
  • Marokko
  • Mosambik
  • Myanmar
  • Nauru
  • Népal
  • Neukaledonien
  • Neuseeland
  • Nicaragua
  • Niger
  • Nigeria
  • Niue
  • Norfolkinsel
  • Nordkorea
  • Nördliche Marianen
  • Oman
  • Pakistan
  • Palau
  • Palästina
  • Panama
  • Papua-Neuguinea
  • Paraguay
  • Peru
  • Philippinen
  • Pitcairn
  • Puerto Rico
  • Katar
  • Republik Kosovo
  • Réunion
  • Russland
  • Ruanda
  • Saint-Barthélemy
  • Sankt Helena
  • St. Kitts und Nevis
  • Saint Lucia
  • Saint Martin
  • Saint-Pierre und Miquelon
  • Saint Vincent und die Grenadinen
  • Samoa
  • San Marino
  • São Tomé und Príncipe
  • Saudi-Arabien
  • Senegal
  • Serbien
  • Seychellen
  • Sierra Leone
  • Singapur
  • Sint Maarten (niederl. Teil)
  • Salomonen
  • Somalia
  • Republik Südafrika
  • Südgeorgien und die Südlichen Sandwichinseln
  • Südkorea
  • Südsudan
  • Sri Lanka
  • Sudan
  • Suriname
  • Svalbard und Jan Mayen
  • Swasiland
  • Syrien
  • Taiwan
  • Tadschikistan
  • Tansania
  • Thailand
  • Timor-Leste
  • Togo
  • Tokelau
  • Tonga
  • Trinidad und Tobago
  • Tunesien
  • Turkmenistan
  • Turks- und Caicosinseln
  • Tuvalu
  • Uganda
  • Ukraine
  • Uruguay
  • Usbekistan
  • Vanuatu
  • Venezuela
  • Vietnam
  • Wallis und Futuna
  • Westsahara
  • Jemen
  • Sambia
  • Simbabwe
Das neue Buch «Queer» von Wissenschaftsautor Josh L. Davis nimmt uns mit auf eine Expedition durch die bunte Vielfalt von Geschlecht und Sexualität in der Natur. Im nachfolgenden Beitrag werden wir uns drei Lebewesen aus dem Buch unter diesen Gesichtspunkten … Weiterlesen →

Das neue Buch «Queer» von Wissenschaftsautor Josh L. Davis nimmt uns mit auf eine Expedition durch die bunte Vielfalt von Geschlecht und Sexualität in der Natur. Im nachfolgenden Beitrag werden wir uns drei Lebewesen aus dem Buch unter diesen Gesichtspunkten anschauen. Viel Vergnügen beim Lesen und Lernen etwaiger neuer Erkenntnisse.


DIE NEW-MEXICO-RENNECHSE – Parthenogenese

Wer sich in die Genetik von Rennechsen vertieft, macht eine außergewöhnliche Entdeckung – einige Arten bestehen ausschließlich aus Weibchen. Innerhalb der Rennechsen-Gattung Aspidoscelis, die im Südwesten der USA verbreitet ist, haben sich immer wieder rein weibliche Arten entwickelt; das hat dazu geführt, dass rund ein Drittel aller Arten eingeschlechtlich ist – Individuen, die ohne eine weitere Partei lebensfähige Nachkommen erzeugen können. Diese Eidechsen verzichten auf eine zweigeschlechtliche (bisexuelle) Reproduktion und legen stattdessen fertile Eier, die niemals mit einem Spermium in Kontakt gekommen sind. Diesen Prozess nennt man Parthenogenese.
Anmerkung dazu: Im angelsächsischen Sprachraum wird die Parthenogenese als «asexuelle» [also ungeschlechtliche] Fortpflanzung bezeichnet, weil nur ein Geschlecht daran beteiligt ist, in deutschsprachigen Lehrbüchern hingegen als «eingeschlechtliche» [also sexuelle] Fortpflanzung, weil Geschlechtszellen [Eizellen] ausgebildet werden.

Parthenogenese, was so viel wie «Jungfernzeugung» bedeutet, ist in der Natur erstaunlich weit verbreitet, man findet sie bei Haien, Vögeln, Krokodilen, Amphibien, Schnecken und Krebstieren, um nur einige wenige Gruppen zu nennen. Der Vorgang lässt sich in zwei Formen unterteilen: «obligat» (immer) und «fakultativ» (manchmal). Zur ersten Form gehören diejenigen Tiere, die sich wie die Rennechsen ausschließlich parthenogenetisch fortpflanzen. Das hat zu eingeschlechtlichen Arten geführt, bei denen es keine Männchen gibt. Erst als sich Wissenschaftler:innen die Genetik dieser Eidechsen anschauten, verstanden sie schließlich, was da vor sich ging. Wie die meisten Tiere (und der Mensch) besitzen diese Eidechsen zwei Kopien ihrer Chromosomen, die die genetische Information in jeder Zelle enthalten. Aber anders als bei uns sind die beiden Kopien außerordentlich verschieden. Und es wird noch seltsamer. Als mehr Arten eingeschlechtlicher Eidechsen im Detail untersucht wurden, stellte sich heraus, dass einige Arten drei Kopien eines jeden Chromosoms in ihren Zellen hatten. Und dann fand man eine Art mit vier Kopien. Wie sich herausstellte, waren diese rein weiblichen Eidechsen Hybriden. Wir hören oft, hybride Tiere seien steril (man denke nur an Maulesel oder Liger) und könnten ihre Gene nicht an die nächste Generation weitergeben.

Inzwischen wissen wir, dass viele Arten, darunter einige Schmetterlinge, Fische, Pflanzen und Frösche, das Ergebnis von Hybridisierungen sind. Vermutlich begann der Einstieg der Rennechsen in die Eingeschlechtlichkeit (Unisexualität) mit einem Hybridisierungsereignis zwischen zwei sich bisexuell fortpflanzenden Arten. Beispielsweise ist die unisexuelle New-Mexico-Rennechse (A. neomexicanus) ein Hybrid der sich bisexuell reproduzierenden Rennechsenart A. inornatus und der Westlichen Rennechse (A. tigris). Forscher:innen haben dies sogar im Labor getestet und neue Arten eingeschlechtlicher Rennechsen produziert, die in freier Natur nicht existieren, indem sie zwei sich bisexuell reproduzierende Arten zusammengebracht haben. Das Mischen zweier Arten zur Schaffung einer neuen Art erklärt, warum die Chromosomen der rein weiblichen Arten sich so sehr voneinander unterscheiden, denn jede der beiden separaten Spezies liefert einen Satz. Das wiederum erklärt, wie die eingeschlechtlichen Reptilien genug genetische Vielfalt bewahren, um über lange Zeiträume zu überdauern. Überdies liefert es eine mögliche Erklärung, warum einige Arten mehr als zwei Gensätze aufweisen. Vermutlich geschieht dies, wenn sich die rein weiblichen Eidechsen mit einer dritten, sich bisexuell fortpflanzenden Eidechsenart paaren und eine weitere neue Spezies produzieren. Eingeschlechtlich-Werden ist jedoch nicht das einzige queere Verhalten, das diese Eidechsen zeigen. Rennechsen brauchen keinen zweigeschlechtlichen Sex, um sich fortzupflanzen, aber das heißt nicht, dass die Weibchen an Sex überhaupt kein Interesse mehr haben. Diese rein weiblichen Reptilien haben noch immer Sex miteinander, wobei der Akt diejenige Partnerin, die bei der Paarung die Weibchenrolle übernimmt, dazu anregt, mehr Eier zu erzeugen. […]

Die New-Mexico-Rennechse kann Nachwuchs produzieren, ohne dass ein Männchen beteiligt ist, aber das hält die Weibchen nicht davon ab, Sex zu haben. ©Dimitry Taranets iStock.

Aber so unglaublich wie die Evolution rein weiblicher Arten auch ist, stehen Rennechsen nicht allein. Mindestens 80 Arten von Reptilien, Amphibien und Fischen auf der ganzen Welt sind im Lauf ihrer Evolution eingeschlechtlich geworden.

Häufiger ist die fakultative Parthenogenese, bei der eine Art sich sowohl bisexuell als auch unisexuell vermehren kann. Eine der größten Arten, die sich so verhält, ist der Komodowaran (Varanus komodoensis), der auf einer Reihe kleiner tropischer Inseln am südlichen Ende des Indonesischen Archipels lebt. Die Reptilien, die eine Länge von drei Metern erreichen können, pflanzen sich die meiste Zeit bisexuell fort, und die Weibchen legen etwa 30 Eier, die sie im weichen Boden vergraben. Am 20. Dezember 2006 überraschte ein gefangenes Komodowaranweibchen namens Flora ihre Wärter damit, dass sie ein Gelege von elf Eiern produzierte, aus denen sieben gesunde Jungtiere schlüpften. Flora war nie in Kontakt mit einem arteigenen Männchen gekommen. Nachdem genetische Tests gezeigt hatten, dass Flora spontan lebensfähige unbefruchtete Eier gelegt hatte, war erstmals der Beweis erbracht, dass sich Komodowarane parthenogenetisch fortpflanzen können. Floras unerwartetes Verhalten bestätigte sich inzwischen bei anderen Populationen gefangener Komodowarane. Interessanterweise schlüpften aus allen dieser parthenogenetisch erzeugten Eier ausschließlich Männchen. Das hat damit zu tun, wie Komodowarane genetisch funktionieren.
Beim Menschen wird das Geschlecht generell von zwei Geschlechtschromosomen, X und Y, festgelegt, während Komodowarane (und einige andere Reptilienarten) Z und W als Geschlechtschromosomen haben, wobei die meisten Weibchen die Kombination ZW und die meisten Männchen ZZ aufweisen. Keimzellen werden durch einen Prozess erzeugt, der als «Meiose» (Reifeteilung) bezeichnet wird. Im Lauf der Meiose verdoppeln sich die Chromosomen im Zellkern und teilen sich dann zwei Mal. Das stellt sicher, dass jede der vier resultierenden Keimzellen nur den halben Chromosomensatz enthält, sodass die volle Anzahl erst bei der Befruchtung wiederhergestellt wird. Entscheidend ist, dass die Chromosomen während des Teilungsprozesses DNA-Stückchen austauschen, was zur Folge hat, dass diese vier Keimzellen genetisch nicht identisch sind. Das heißt: Auch wenn Parthenogenese oft mit Klonierung gleichgesetzt wird, ist das streng genommen nicht ganz richtig. Was Komodowarane angeht, so nehmen die Weibchen im Grunde individuelle Keimzellen mit der Hälfte des korrekten Chromosomensatzes und verdoppeln diese Zahl anschließend, um eine Eizelle zu bilden. Da die Weibchen jedoch genetisch ZW sind, heißt das, dass die Hälfte der resultierenden Embryonen zwei W-Chromosomen, die andere Hälfte zwei Z-Chromosomen trägt. Die WW-Embryonen sind nicht lebensfähig, doch aus den ZZ-Embryonen entwickeln sich Männchen und schlüpfen (wie im Fall der gefangenen Komodowarane). Wenn ein Weibchen vom Strand gespült wird und auf einer unbewohnten Insel landet, kann es dennoch eine neue Waranpopulation begründen. Und die Genetik ihres Geschlechtsbestimmungssystems bringt es mit sich, dass das Weibchen stets einen Geschlechtspartner erzeugt, selbst wenn es sich um seinen eigenen Nachwuchs handelt.

Zurück zu den Rennechsen: Sie sind deshalb alle Weibchen, weil sie (ganz grundlegend gesprochen) ihre ZW-Chromosomen schon vor der Bildung ihrer Keimzellen verdoppeln, was zu Eiern führt, die bereits einen vollen Chromosomensatz haben und alle als Weibchen schlüpfen.


DIE EUROPÄISCHE EIBE – Partieller Geschlechtswechsel

Als vor rund 4500 Jahren der letzte Stein in die Pyramide von Gizeh eingesetzt wurde, war eine Eibe in Schottland, die bis heute lebt, vielleicht schon viele Hundert Jahre alt. Im Lauf seines Lebens hat dieser Baum die Bären, die einst über das Land streiften, verschwinden sehen, die Invasion der Wikinger erlebt und war Zeuge der Geburt von Schottland. Man nimmt an, dass die Fortingall-Eibe seit mehr als fünf Jahrtausenden an einem Ort wächst, an dem heute das kleine schottische Dorf Fortingall liegt. Damit ist der Baum ein Kandidat für das älteste Lebewesen in Europa, wenn man in dieser Hinsicht auch vorsichtig sein muss, denn es ist außerordentlich schwierig, das Alter uralter Eiben zu bestimmen, da die Baummitte oft verfault, sodass man die Jahresringe nicht mehr zählen kann. Bei dem Baum handelt es sich um eine Europäische oder Gewöhnliche Eibe (Taxus baccata), eine Spezies, die zu den Koniferen gehört und von Westeuropa bis in den Iran verbreitet ist. In der Regel wird der Baum bis zu 20 Meter hoch, hat schmale, flache Nadeln und einen dicken Stamm mit einer dünnen, schuppigen braunen Rinde. Im Jahr 1796 betrug der Stammumfang der Fortingall-Eibe erstaunliche 16 Meter, bevor er in mehrere Stämme auseinanderbrach. Das ist einer der Gründe, warum es so schwierig ist, das Alter des Baums zu bestimmen. Eiben sind unglaublich giftig. Jeder Teil der Pflanze ist giftig, ausgenommen das Fleisch rund um die Samen, das von Tieren gefressen wird, wobei die Samen wieder ausgeschieden und so verbreitet werden. Wenn ein Tier die Nadeln fräße, hätte dies fatale Folgen. Während die meisten Koniferen einhäusig sind und individuelle Pflanzen separate  «männliche» und «weibliche» Strukturen auf derselben Pflanze aufweisen, ist die Eibe zweihäusig. Bei diesem Fortpflanzungssystem befinden sich «männliche» und «weibliche» Strukturen auf separaten Pflanzen. Für die Europäische Eibe heißt das, dass einige Bäume ausschließlich Pollen bildende (männliche) Zapfen erzeugen, andere hingegen ausschließlich Samen bildende (weibliche) Zapfen. Befruchtete weibliche Zapfen entwickeln kleine rote «Früchte», die den Baum Mitte des Winters zieren und hungrigen Vögeln eine schmackhafte kleine Mahlzeit bieten.

Alle Teile einer Eibe sind hochgiftig, ausgenommen das rote Fleisch der Beeren, die von Vögeln und anderen Tieren gefressen werden. ©Iva Vagnerova Shutterstock.

Solange es Berichte über die Fortingall-Eibe gibt, galt der Baum als männlich. Daher war es eine ziemliche Überraschung, als in den Royal Botanic Gardens in Edinburgh an einem der Äste drei kleine rote Flecken zwischen dem tiefen Grün der Nadeln entdeckt wurden. Wie sich herausstellte, hatte der ansonsten pollentragende Baum einen einzelnen, samentragenden Ast entwickelt. Warum die Fortingall-Eibe nach so vielen Tausend Jahren einen weiblichen Ast hervorbrachte, wissen wir nicht, doch es erlaubt uns einen kurzen Einblick in die unglaubliche Flexibilität von Pflanzen, vor allem, wenn es um Sex geht. Einer Vermutung zufolge können Bäume tatsächlich separate Einheiten innerhalb der individuellen Pflanze schaffen, wenn eine Kompartimentierung verschiedener Teile dem Baum größere Erfolgsaussichten bei der Bekämpfung von Krankheiten gibt. Einer anderen Theorie zufolge könnte dies eine «Spielart» sein, bei der eine genetische Mutation in einem Teil der Pflanze ihre andersartigen Merkmale an den Hauptkörper weitergibt. Die Nektarine beispielsweise ist eine Spielart des Pfirsichs, die seitdem weitergezüchtet wurde. Die Veränderung könnte jedoch auch an der Umwelt liegen. Es gibt viele Beispiele für geschlechtswechselnde Pflanzen, die ebenfalls gewöhnlich als zweihäusig klassifiziert werden; das gilt nicht nur für die Europäische Eibe. Ein Experiment mit dem Streifen-Ahorn (Acer pensylvanicum), der gewöhnlich in Wäldern im Nordwesten von Nordamerika wächst, erbrachte, dass sich das Geschlecht von Bäumen verändern lässt, wenn man sie extremem Stress aussetzt. Als die Forscher:innen männliche Ahornbäume völlig entlaubten oder stark beschnitten, stieg die Wahrscheinlichkeit, dass die Bäume weibliche Blüten entwickelten, im Vergleich zu weniger schweren physischen Traumata um das Viereinhalbfache.

Wie andere Experimente ergaben, kann auch eine eingeschränkte Wasser- und Nährstoffzufuhr zu einzelnen Ästen eines Baums eine Veränderung der geschlechtlichen Ausprägung in diesem einzelnen Ast induzieren. Möglicherweise hat der einzelne Ast der Fortingall-Eibe Samen entwickelt, da er irgendeiner Form von Stress ausgesetzt war, die den restlichen Baum nicht betraf. Aber wie so häufig der Fall in der Biologie, liegen die Dinge nicht so einfach. Andere Bäume zeigen das umgekehrte Verhalten: Weibliche Bäume, die Traumata ausgesetzt werden, verändern ihre geschlechtliche Ausprägung so, dass sie männlich werden. Welche Richtung diese Veränderungen nehmen, hängt wahrscheinlich von der untersuchten Gruppe oder Spezies ab. Beispielsweise haben Ahornbäume ein stark in männliche Richtung verschobenes Geschlechterverhältnis; auf jeden weiblichen Baum kommen drei männliche. Forscher:innen vermuten daher, dass geschädigte Bäume, die nicht mehr lange zu leben haben, stärker vom Weiblich-Werden profitieren, weil sie dann ihre Gene mit größerer Wahrscheinlichkeit an die nächste Generation weitergeben können. Ganz unabhängig davon, was die Verlagerungen oder die Richtung angeht, in der sie erfolgen, ist erstaunlich, dass diese Pflanzen zwar in separaten, «gesexten» Körpern existieren, aber dennoch das Potenzial besitzen, ihr Geschlecht zu wechseln.

Was die Zukunft für die Fortingall-Eibe bringen wird, ist genauso unbekannt wie die Ursache für ihre partielle sexuelle Fluidität so spät im Leben. Obwohl überall in Schottland schon zahlreiche Stecklinge wachsen, wurden die drei gefundenen Früchte gesammelt. Man hofft, dass die Samen schließlich gepflanzt werden und der Baum möglicherweise nach Tausenden von Jahren seine ersten nachweislich aus Samen produzierten Nachkommen haben wird.


DIE GIRAFFE – Homosexualität als Mainstream

Im Jahr 1956 schrieb Anne Innis Dagg Geschichte. Mit 23 Jahren wurde sie die erste Person, die wir kennen, die Wildtiere in Afrika wissenschaftlich erforschte, und erst die zweite weltweit, die eine Langzeitstudie einer einzelnen Säugerart begann. Innis Dagg unternahm die lange Reise aus ihrer Heimat in Ontario, Kanada, bis an die Ränder des Kruger-Nationalparks in Südafrika, um sich ihren Traum zu erfüllen, Giraffen (Giraffa camelopardalis) in freier Wildbahn zu erforschen. Sie hatte gegen den tief verwurzelten Sexismus der wissenschaftlichen Welt zu kämpfen und wurde zu einer echten Wegbereiterin. Sie war die Erste, die die umfangreichen queeren Verhaltensweisen von wilden Giraffen dokumentierte. Trotz Widerstands seitens des Establishments publizierte Innis Dagg weiterhin über dieses Thema und nannte dabei speziell ihre lesbischen Studentinnen als Inspiration, der Welt mitzuteilen, was sie in der Natur sah. Im Jahr 1984 veröffentlichte Innis Dagg zudem die erste Analyse homosexuellen Verhaltens bei Säugern. Sie studierte Berichte über 125 Säugerarten und kam zu dem Schluss, dass «adultes homosexuelles Verhalten bei männlichen und weiblichen Säugern weit verbreitet ist». Die Bedeutung dieses Artikels lässt sich kaum überschätzen. Historisch galt homosexuelles Verhalten bei Tieren stets als seltsame Kuriosität (siehe Schwäne). Es wurde weitgehend als sonderbarer Ausdruck von Dominanz oder Frustration am Rand normalen Verhaltens betrachtet und als nicht so häufig, dass man es hätte ernst nehmen müssen.

Innis Draggs Beobachtungen stellten diese Ansichten jedoch auf den Kopf. In einigen Giraffenpopulationen waren mehr als 94 Prozent aller sexuellen Interaktionen homosexueller Natur. In der Regel, aber nicht immer, fanden sie zwischen zwei Männchen statt. Giraffen sind wohl besonders für ihre modische Fellzeichnung und ihren eleganten langen Hals bekannt. Dieser lange Hals erlaubt ihnen vor allem, die für andere Pflanzenfresser unerreichbaren Blätter in den Baumkronen zu erreichen. Giraffenbullen nutzen ihren Hals aber auch für ein einzigartiges Werbeverhalten. Ihr Hals ist kein steifer Balken, sondern höchst flexibel, was zwei Tieren ermöglicht, ihre Hälse umeinanderzuschlingen (Necking von engl. neck = Hals). Männchen betreiben oft Necking miteinander: Zunächst schauen die Giraffen sich an und reiben ihren Hals dann sanft an Rumpf, Kopf und Schenkeln, bevor sie ihre Hälse umeinanderschlingen. Dies geht oft mit einem Beschnuppern und Belecken der Genitalien einher und führt gewöhnlich zu einer Erektion. Gelegentlich «flehmen» die Giraffen auch (das heißt, sie ziehen ihre Oberlippe zurück, um Pheromone im Urin zu erschnuppern), eine Reaktion, die mit der sexuellen Erregung zwischen Männchen und Weibchen verknüpft ist. Schließlich besteigt das eine Männchen das andere und ejakuliert. Dieses Verhalten ist nicht auf Bullenpaare beschränkt; manchmal finden sich größere Bullengruppen zusammen und besteigen einander immer wieder. Auch Weibchen besteigen einander gelegentlich, beteiligen sich aber nicht am Necking-Ritual.

Giraffenmännchen zeigen eine Reihe homosexuellen Verhaltens, darunter das Verschränken ihrer Hälse, das Beschnuppern der Genitalien des anderen und schließlich Besteigen und Ejakulation. ©Jane Rix Shutterstock.

Bei Giraffen, die bekanntlich in getrenntgeschlechtlichen Gruppen leben, ist homosexuelles Verhalten erstaunlich häufig, was eigentlich nicht überraschend ist, wenn man bedenkt, dass die Männchen den größten Teil des Jahres miteinander verbringen. Manche Forscher:innen haben jedoch trotz der klar erkennbaren sexuellen Erregung der beteiligten Individuen vermutet, dass es sich dabei allein um Dominanzverhalten handelt. Das beleuchtet das so häufige zweierlei Maß, mit dem homosexuelles Verhalten bei Tieren gemessen wird. Wenn ein Giraffenbulle seinen Hals um den eines Weibchens schlingt, dessen Genitalien leckt und eine Erektion bekommt, bevor er aufreitet und ejakuliert, wird dies eindeutig als sexuelles Verhalten betrachtet. Wenn zwei Männchen jedoch genau dasselbe tun, gilt das Verhalten nicht länger als sexuell, sondern wird als Dominanzverhalten umgedeutet.

Im Jahr 2019 rief diese Debatte sogar einen heftigen Konflikt in der britischen Labour Party hervor. Während einer Preisverleihung für die LGBTQ+-Nachrichten-Website PinkNews meinte der Labour-Abgeordnete und LGBTQ+-Verbündete Dawn Butler: «Sie reden darüber, dass Leuten oder Kindern beigebracht wird, homosexuell zu sein. Sie wollen nicht, dass man Leuten das beibringt. Ich möchte wirklich wissen: Wenn man Homosexualität also unterrichten kann, wer spricht Giraffisch? Denn 90 Prozent aller Giraffen sind homosexuell. Wenn man das also unterrichten kann, dann möchte ich wissen, wer zum Teufel spricht Giraffisch?» Das führte zu einer geharnischten Antwort von Lachlan Stuart, damals Berater des Labour-Führers, der Butlers Bemerkung als «eine lächerliche, beleidigende, homophobe Äußerung» bezeichnete und behauptete, Giraffen zeigten kein homosexuelles Verhalten, denn, so Stuart: «Es gibt keine Romantik. Kein Umwerben. Keine Zuneigung. Keine Paarbindung.» Er insistierte, es handele sich stets um Dominanzverhalten, bevor er erstaunlicherweise äußerte, Giraffen seien seine Lieblingstiere. Diese Situation war für die Presse ein gefundenes Fressen und führte zu Schlagzeilen wie «Streit um schwule Giraffen spaltet die Führungsriege der Labour Party». Auch wenn diese Schlagzeilen die ganze Sache ein wenig zu stark aufgeblasen haben mögen und zudem Sex mit Gender vermischt haben, ist es fast unmöglich, sicher zu wissen, ob ein Tier homosexuell ist.

Doch wie wir gesehen haben, verhält sich die große Mehrheit der Giraffen tatsächlich queer. Und aufgrund der Sozialstruktur von Giraffen, bei der nur ein sehr kleiner Prozentsatz der Bullen die Chance bekommt, Nachwuchs zu zeugen, ist es sehr wahrscheinlich, dass manche Männchen, wenn es um Sex geht, ihr ganzes Leben lang ausschließlich homosexuelles Verhalten zeigen.

Text: adaptiert und gekürzt aus «Queer».


Josh L. Davis ist Wissenschaftsautor mit einem Hintergrund in Biologie und Naturschutz und arbeitet im Natural History Museum in London. Seine Artikel sind bereits in Zeitungen wie The Observer, The Guardian und The Times veröffentlicht worden.

Kommentarbereich
Kommentarfunktion für diesen Artikel deaktiviert.
Weitere Beiträge
slide 5 to 7 of 8