
Farne, Schachtelhalme und Bärlappe: Bestimmungsfeuer entfacht!
Bei Farnen denken wir an verwunschene Wälder, spiralig eingerollte Bischofsstäbe oder an Dinosaurier, die vor langer Zeit an Baumfarnen knabberten. Unabhängig vom Zugang bleiben sie meist als eine zwar nette, aber einheitlich grüne, namenlose «Masse» stehen. Dabei verstecken sich hinter der grünen Kulisse viele […] oft gut bestimmbare Arten, die sich mit feldtauglichen Merkmalen benennen lassen.
Das vorliegende Buch «Farne, Schachtelhalme und Bärlappe» von Muriel Bendel und Françoise Alsaker ist sowohl für Pflanzeninteressierte als auch für Botaniker:innen angelegt. Es soll handlich, übersichtlich und ansprechend sein und die Neugierde und Lust wecken, diese vielfältige Pflanzengruppe genauer anzuschauen.
Und genau das wollte ich austesten! Ich wollte mich mit Hilfe dieses Buches an die Bestimmung unseres Farngewächs, das gleich hinter der Buchhandlung wächst, machen.
Farn oder nicht Farn – das ist hier die Frage
Farnpflanzen vermehren sich über Sporen – ein Merkmal, das sie unter anderem mit den Moosen teilen. Mit den Samenpflanzen, die sich über Samen und nicht über Sporen vermehren, haben sie die spezialisierten Leitgefäße für den Stofftransport in ihren Geweben gemeinsam. Um die Farnpflanzen von den Moosen und den Samenpflanzen abzugrenzen, wurden sie früher Gefäßsporenpflanzen genannt. Zahlreiche Forschungsarbeiten zur Systematik haben aber gezeigt, dass die Geschichte etwas komplizierter ist. Die Farnpflanzen umfassen zwei große Gruppen, die nicht näher miteinander verwandt sind: Die erdgeschichtlich älteren Bärlappe und ihre Verwandten werden in der Klasse der Lycopodiopsida zusammengefasst; sie sind heute weltweit mit gut 1300 Arten vertreten (PPG I / Schuettpelz, E. et al., 2016). 14 Arten kommen in Mitteleuropa vor.
Die erdgeschichtlich jüngere und bedeutend größere Klasse der Polypodiopsida, in diesem Buch Farne genannt, umfasst auch die Schachtelhalme und die Natternzungengewächse. Zu ihr zählen weltweit knapp 10 600 Arten (PPG I / Schuettpelz, E. et al., 2016), wovon 86 in Mitteleuropa vorkommen. Die Farne stehen den Samenpflanzen näher als den Bärlappen und ihren Verwandten.

Nach PPG I / Schuettpelz, E. et al. (2016).
Der Einfachheit halber werden im Buch und auch in diesem Beitrag die beiden Klassen unter dem Namen Farnpflanzen zusammengefasst.
Unsere Buchhandlungs-Farnpflanze bestimmen
Ehrlich gesagt bin ich bei der Bestimmung unserer Farnpflanze am Falkenplatz etwas unkonventionell vorgegangen und habe mich im Voraus einer Pflanzenbestimmungs-App bedient, welche mir mit 99% Sicherheit einen Gewöhnlichen Wurmfarn vorgeschlagen hat.
Anhand der Infos, die sich im Buch zu dieser Art (auch Echter Wurmfarn genannt) finden ließ, wollte ich nach dem Ausschlussverfahren die verschiedenen Anhaltspunkte prüfen, um nachweislich behaupten zu können, dass die App wohl richtig liegt mit der Annahme. Die App habe ich aus diesem Grund zur Hilfe gezogen, da ich bis vor der Lektüre nichts über Farnpflanzen wusste und mir nicht zutraute aus dem Nichts heraus Annahmen zu treffen.
Überprüfen und vergleichen wir also die Anhaltspunkte im Buch mit den vorhandenen Informationen vor Ort:
Im Bestimmungsschlüssel des Buches, welcher 18 Seiten umfasst, wird der Echte Wurmfarn erst an 91. Stelle (von 122 Positionen) aufgeführt. Meine Ausführungen ohne App wären beim ersten Bestimmen also dementsprechend lang geworden, da ich wohl jeden Punkt bis dahin durchgegangen wäre …
Nachfolgend habe ich das Porträt zum Echten Wurmfarn aus dem Buch mit meinen Fotografien des Buchhandlungs-Farns aufgeführt und verglichen. Zudem habe ich versucht etwaige unbekannte Fachbegriffe genauer auszuformulieren und zu erklären.
ECHTER WURMFARN Dryopteris filix-mas (L.) Schott
Merkmale:
- Der Echte Wurmfarn zeigt sich in Rosetten wachsend (grundständig, sternförmig und meist dicht stehend angeordnet). Die Blätter sind zwischen 30-100(-140) cm lang. Beides ist in den folgenden Fotos gut zu erkennen.
- Die Blattspreite eines Blattes (flächiger Teil des Blattes, ohne Blattstiel) ist einfach gefiedert; das heißt, dass die Fiedern an ihrem Grund mit einem ganz kurzen Stiel auf der Blattspindel sitzen. Die folgende Illustration aus dem Buch soll helfen, die Begriffe besser bildlich zu verorten:
Illustration: ©Christiane Franke, christianefranke.ch ; Grafik: ©Philippe Deriaz, philippederiaz.ch
Zudem ist die Blattspreite des Echten Wurmfarns satt- und meist sommergrün und kann matt oder leicht glänzend vorkommen. Die Farnblätter sind lanzettlich; also gegen oben zugespitzt, um die Mitte herum am breitesten und nach unten allmählich verschmälert. Die Blattspindel eines Blatts weist ca. 20 bis 35 Fiederpaare und zerstreute braune Spreuschuppen auf. Spreuschuppen sind flächenhafte und meist bräunliche Auswüchse (wie Haare) bei den Farnen. Diese lassen sich in einer Fotografie weiter unten noch besser betrachten.
- Die Fiedern des Echten Wurmfarns zeigen sich fiederschnittig. Die einzelnen «Blättchen» liegen also breit auf der Fiederspindel, wie man gut in den Fotos erkennen kann. Zudem sind sie kahl oder vor allem auf der Unterseite mit wenigen Spreuschuppen und ohne Drüsen bestückt. Am Grund sind die Fiedern grün, ab Spätsommer weisen sie teilweise dunkle Flecken auf. Die größten Fiedern können 4- bis 6-mal so lang wie breit sein. Die Ränder der Fiedern zeigen sich gesägt mit scharfen Zähnen (wie bei einer Säge), meist aber ohne aufgesetzte Spitzen.
Die Fiedern des Echten Wurmfarns sind fiederschnittig.
- An der Blattunterseite befinden sich runde Sori (Pl. von Sorus, was einer Gruppe von Sporagien/Sporenkapseln entspricht). In diesen Sori befinden sich Kapseln, die mit Sporen gefüllt sind, die der Vermehrung dienen. Der Schleier (bedeckt Sori) ist nierenförmig und gut von Auge zu erkennen. Dieser ist meist kurz vor der Sporenreife schrumpfend, nach der Sporenreife abfallend.
Der Echte Wurmfarn besitzt nierenförmige Schleier.
- Der Blattstiel beim Echten Wurmfarn ist 0.2-0.3mal so lang wie die Blattspreite. Am Grund weist er braune Spreuschuppen wie auch 6 bis 8 runde Leit- oder Gefäßbündel auf.
Die Fieder ist am Grund grün, der Blattstiel auf Grund von Spreuschuppen braun.
Standort:
Planar bis subalpin vorkommend; meist auf feuchten Böden; in Wäldern, seltener auf Weiden, Hochstaudenfluren, Schutthängen, Mauern und Bahnanlagen zu finden.
Bei uns passt wohl vom Standort her, dass die Sonne nur kurz direkt auf die Stelle, wo der Farn wächst, scheint. Durch den Rest des Tages befindet sich dieser eher im Schatten unseres Gebäudes.
Verbreitung:
Eurasiatisch-nordamerikanisch CH/DE/AT: Verbreitet und sehr häufig
Sporenreife:
Juli bis September
Gefährdung & Schutz:
In der Schweiz, in Deutschland und in Österreich nicht gefährdet und daher auch nicht besonders geschützt.
Farne überall: Mein Bestimmungsfeuer wurde entfacht
Vor lauter Farn-Lektüre springen mir diese Gewächse nun überall, wo ich hingehe, ins Auge. So kam es also, dass ich gleich hier in der Länggasse in der Nähe eines Unigebäudes eine weitere Farnpflanze im Gebüsch entdeckte und mich fragte, um welche Art es sich dabei wohl handelte.
Bei der Bestimmung dieser Pflanze ging ich nun etwas anders vor, da ich durch die Auseinandersetzung mit meinem ersten Farn, dem Echten Wurmfarn, nun besser wusste, worauf es bei der Bestimmung der entsprechenden Art ankam.
Also habe ich den Farn zuerst einmal ausgiebig fotografiert und die Fotos dann auf die entsprechenden Merkmale hin geprüft.
Folgende Dinge fielen mir auf:
- Diese Farnpflanze ist deutlich dunkelgrüner als der Farn bei uns am Falkenplatz
- Die Form der Blattspreite würde ich auch als lanzettlich beschreiben
- Besonders die Fiederung unterscheidet sich vom Wurmfarn, hier lässt sich nämlich eine doppelte Fiederung erkennen, da sich die Fiedern 2. Ordnung (das sind quasi die Fiedern auf den Fiedern; auch Fiederchen genannt) klar von der Fiederspindel abheben (mit einem kurzen Stiel) und nicht wie beim Echten Wurmfarn breit darauf angewachsen sind.
- Auch der Schleier unterscheidet sich. Er ist rund und scheint in der Mitte an der Blattunterseite befestigt zu sein.
Bevor ich die Pflanze mit Hilfe meiner App bestimmen ließ, habe ich mich an den Bestimmungsschlüssel im Buch gewagt. Dabei bin ich zuerst alle Überschriften durchgegangen und schließlich bei der Folgenden haften geblieben:
Blattspreite 2- bis 4-fach gefiedert
Da ich die doppelte Fiederung (= 2-fach gefiedert) bereits anhand der Fotos erkannt habe und mir relativ sicher war, dass es sich um einen Farn handelte, begann ich dort (ab Position 92 von 122) mit meiner weiteren Recherche. Ich las also alle Bestimmungspunkte 92-122 durch und konnte bei der Position 114 erste passende Merkmale (farblich hervorgehoben) ausmachen. Dort steht:
Schildfarne Polystichum:
Fiedern und/oder Fiederchen asymmetrisch: das innerste, zur Blattspitze gerichtete Fiederchen deutlich vergrößert («Daumen hoch») und/oder Fiederchen mit zur Fiederspitze gerichtetem Öhrchen; Rand gesägt oder gezähnt, Zähne mit Grannenspitzen; Schleier rund, in der Mitte angewachsen (schildförmig); Blätter 30–90(–120) cm lang
Ich las also auch noch alle weiteren Positionen bis 122 durch und fand aber keine weiteren auffällig-passenden Beschreibungen, wie es bei den Schildfarnen (Position 114-116) der Fall war. Anhand der Beschreibungen im Bestimmungsschlüssel passten meine Fotos am ehesten zum Gelappten Schildfarn, da sich der insbesondere durch seine wintergrüne Farbe von den anderen Schildfarnen abhebt.
Um ganz sicher zu sein, habe ich schließlich meine App konsultiert und mit 96% Wahrscheinlichkeit hat auch diese genau diese Farnart erkannt.
Hier also das entsprechende Porträt aus dem Buch, wiederrum ergänzt durch meine Fotografien und persönlichen Kommentaren dazu:
GELAPPTER SCHILDFARN Polýstichum aculeátum (L.) Roth
Merkmale:
- Der Gelappte Schildfarn zeigt sich ebenfalls in Rosetten wachsend. Blätter sind zwischen 30-70(-80) cm lang, bogig ausgebreitet und die Letztjährigen meist dem Boden aufliegend.
- Die Blattspreite ist 2-fach gefiedert, lanzettlich und nach unten allmählich verschmälert. Zudem ist sie dunkel- oder wintergrün, kahl, glänzend und ledrig. Blatt- und Fiederspindeln weisen vor allem auf der Unterseite braune, schmallanzettliche Spreuschuppen auf.
- Die Fiedern sind asymmetrisch: Meist sind die zur Blattspindel innersten, zur Blattspitze gerichteten Fiederchen (= Fiedern der Fieder) deutlich vergrößert. Das wird als «Daumen hoch» betitelt.
Die Fiederchen zweigen schräg von der Fiederspindel ab und sind am Grund oft ohne zur Fiederspitze gerichtetes, kleines Öhrchen. Ihr Rand ist gezähnt oder gesägt, wobei die Zähne Grannenspitzen (borstenartige Spitzen wie bei Getreideähren) aufweisen.
- Die Sori sind in 2 Reihen angeordnet, wobei der Schleier schildförmig aussieht. Dessen Rand ist zur Zeit der Sporenreife nach oben gebogen (wie ein umgedrehter Regenschirm).
- Der Blattstiel ist meist weniger als 0.2-mal so lang wie die Blattspreite und zeigt sich dicht mit dunkelbraunen Spreuschuppen bedeckt.
Standort:
Montan-subalpin vorkommend; auf feuchten, kalkarmen bis kalkreichen Böden, in schattigen Schluchten oder Wäldern. Bei meiner Fundstelle liegt die Farnpflanze im Schatten eines dichten Gebüschs, was den Standort wohl verbessert, da er ansonsten gleich an einer dicht befahrenen und sonnigen Straße liegt.
Verbreitung:
Eurasiatisch CH/DE/AT: Besonders in den Alpen und im Jura verbreitet und häufig, sonst zerstreut.
Sporenreife:
Juni bis September
Gefährdung & Schutz:
CH: Kantonal geschützt
DE: Besonders geschützt
AT: Regional geschützt
Schon gewusst?
Der Gelappte Schildfarn ist eine hybridogene Art, die ursprünglich aus der Kreuzung zwischen dem Lanzenfarn (P. lonchitis) und dem Borstigen Schildfarn (P. setiferum) entstanden ist.
So könnte es ewig weitergehen …
Am vergangenen Wochenende war ich im Übrigen noch bei meinen Eltern und habe meiner Mutter von meinen Farnbestimmungen erzählt. Daraufhin nahm sie mich mit in ihren großen farbigen Garten und zeigte mir gleich weitere fünf Farnpflanzen, die ich vorher noch nicht gesehen hatte. Weiter ging es also! Was für ein Glück, dass ich passenderweise auch gleich das Buch dabei hatte.
Ich bestimmte also einen Waldfrauenfarn, einen Rippenfarn (in der Schweiz auch «Leiterlifarn» genannt) und einen Braunstieligen Streifenfarn (Aufzählung entspricht der Reihenfolge der Fotos von links nach rechts).
Bei zwei relativ kleinen und wahrscheinlich noch jungen Farnen kam ich durch meine Recherche auf kein befriedigendes Ergebnis, was aber womöglich daran lag, dass die Farnpflanzen noch nicht ausgewachsen waren und daher noch nicht alle typischen Erkennungsmerkmale zur sicheren Bestimmung aufgewiesen haben. Womöglich ja dann in ein paar Jahren …
Last but not least habe ich in der Buchhandlung übrigens noch einen getrockneten Adlerfarn (im Foto links) erkannt, den ich einmal (bereits in getrocknetem Zustand) in einem Wald nahe Kerzers eingesammelt hatte.
Fotos: ©Fiona Hofer
Illustration: ©Christiane Franke, christianefranke.ch
Grafik: ©Philippe Deriaz, philippederiaz.ch
Tabelle: Nach PPG I / Schuettpelz, E. et al. (2016).
Muriel Bendel hat an der Universität Bern Biologie und Botanik studiert und an der ETH Zürich promoviert. Als selbstständig erwerbende Botanikerin organisiert und leitet sie regelmäßig Botanikkurse und -exkursionen und erstellt Vegetationskartierungen. Muriel Bendel ist u.a. Mitglied der Farnfreunde der Schweiz und der Schweizerischen Botanischen Gesellschaft und eine ausgezeichnete Kennerin der mitteleuropäischen Flora.
Françoise Alsaker hat sich nach ihrer Emeritierung an der Universität Bern der Feldbotanik zugewandt und diese mit ihrer Leidenschaft für Naturfotografie verbunden.