
Faszination: Ameisen
Ameisen sind faszinierende Tiere!
Bestimmt haben viele von Ihnen bereits eigene Erfahrungen mit dem fleißigen Insekt gemacht.
Ich mag mich z.B. noch gut daran erinnern, wie ich als Kind im Garten meiner Großmutter in ein Ameisenloch trat und wie gelähmt dabei zuschauen musste, wie eine riesige schwarz-braune Masse in Sekundenschnelle an mir hoch krabbelte.
In ihrem Buch «Ameisen» präsentieren uns Heather Campbell und Benjamin Blanchard die faszinierende Welt der kleinen Naturarchitekten!
Mit außergewöhnlichen Nahaufnahmen bietet das Buch Einblicke in die Welt dieser Tiere und behandelt Themen wie Anatomie, Evolution, Lebenszyklus, Ökologie, ihre ausgeklügelten sozialen Systeme und Interaktionen mit Pflanzen, Pilzen und anderen Tieren. Jedes Kapitel enthält zudem Porträts besonders interessanter Gattungen.

Arbeiterinnen wie diese Leptogenys-Ameise transportieren Eier, Larven und Puppen innerhalb des Nests von einem Ort zum anderen oder auch zu neuen Nestern. Foto: ©SR 010 Chien Lee
Fiona und die Theater-Ameisen
Seit Kind wirke ich bei einem kleinen Theaterverein in Bern mit Leib und Seele mit. Das Haus, in dem sich die Probenräume, aber auch ein kleiner Theatersaal befindet, ist sehr alt, steht unter Heimatschutz und diente früher der Einlagerung von Kutschen. Viele Teile sind aus Holz erbaut, dadurch gibt es auch viele natürliche Risse und Spalten, die sich im Laufe der Jahre mal hier mal dort etwas geweitet haben.
Seit ein paar Jahren kann ich so ab März die ersten Ameisenstraßen beobachten. Am Anfang, wenn es noch kalt und nass ist, vermehrt im Haus selber. Die Ameisen gelangen durch feine Ritzen in die Innenräume und verschaffen sich so z.B. Zugang zum Wasser der Toilette. Je wärmer dann die Temperaturen werden in den Sommermonaten, kann man die Straßen dann draußen, am Haus entlang verfolgen. Gleich hinter dem Gebäude steht eine alte Eibe, und gleich darunter ist die umgebene Erde mit Efeu überzogen. Das Ameisenzuhause befindet sich irgendwo unter diesem Efeugewächs oder aber in der Hausfassade, denn die Ameisen bewegen sich täglich zwischen diesen beiden Spots. Da ich sehr tierfreundlich bin und es für mich nicht in Frage käme, Gift oder dergleichen gegen die Ameisen anzuwenden, habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, die Straßen mit viel Geduld umzuleiten.
Durch meine aktive Beschäftigung mit den kleinen Tieren konnte ich bereits so einiges lernen, beobachten und persönliche Annahmen mit Hilfe von Fachliteratur, wie eben diesem Buch bestätigen. Durch meine Straßenumleitungsaktionen, die ich mit Hilfe von stark riechenden Substanzen (z.B. Lavendel-Öl, Nelkenwasser, Kaffeesatz oder Zimt) umsetze, musste ich mich vermehrt mit den Tieren beschäftigen. Mich fasziniert ihr Fleiß, ihr Zusammenhalt und vor allem, und da haben wir etwas gemeinsam, ihre Beharrlichkeit.
Im Nachfolgenden habe ich einige Fakten aus dem Buch zusammengestellt, die mich persönlich interessierten. Unter anderen, wie eine Ameisenkolonie überhaupt erst entsteht oder wie sich die fleißigen Arbeiterinnen auf Futtersuche begeben.
Lernen auch Sie mehr über diese spannenden Tiere – es lohnt sich!
Viel Vergnügen beim Lesen.

Ameisenstraße auf einem Zeltplatz in Sardinien. Foto: ©Fiona Hofer
LEBENSZYKLUS
Wie entsteht eigentlich eine Ameisen-Kolonie?
Die biologischen Strategien von Ameisen unterscheiden sich in verschiedenen Unterfamilien beträchtlich, doch alle folgen einem grundlegenden Lebenszyklus vom Ei über Larve und Puppe zum Adulttier (Imago).
Im Allgemeinen startet jede Kolonie mit einer Königin (der Gründerin), einem Männchen (manchmal auch mehreren) und einer Paarung. Diese unbegatteten Königinnen und Männchen verlassen, wenn sie geschlechtsreif werden, das Nest und unternehmen einen Hochzeitsflug. Die Synchronisation zahlreicher geflügelter Geschlechtstiere, die aus vielen Kolonien ausschwärmen, hat zur Folge, dass dieses Ereignis oft deutlich sichtbar ist und in manchen Ländern als «Tag der fliegenden Ameisen» bezeichnet wird.
Die Königin
Die Königin ist ein fortpflanzungsfähiges Weibchen, das Eier legen kann. Die meisten Königinnen sind geflügelt. Zwar überleben viele Königinnen ihren Hochzeitsflug nicht, weil sie Vögeln und anderen Prädatoren zum Opfer fallen, doch diejenigen, die es tun, können durchaus langlebig sein. Die Königinnen der Schwarzen Wegameise können fast 30 Jahre alt werden! Im Gegensatz dazu sind die Männchen gewöhnlich kurzlebig und sterben bald nach der Paarung. Daher spielen Männchen in Ameisengesellschaften keine soziale Rolle außer derjenigen, als Spermapaket zu dienen. Während ihres Hochzeitsflugs kann eine Königin mit einem oder mehreren Männchen kopulieren; anschließend paart sie sich zeitlebens jedoch nicht wieder. Königinnen speichern Sperma in einer speziellen Samentasche – Spermatheka oder Receptaculum seminis – im Abdomen und greifen bei Bedarf darauf zurück.
Koloniegründung
Nach der Paarung wählt die Königin einen Nistplatz aus und wirft ihre Flügel ab. Das ist das Gründungsstadium im Lebenszyklus der Kolonie. Im Nest beginnt die Königin mit der Eiablage. Diese Eier machen anschließend eine vollständige Metamorphose durch und entwickeln sich über mehrere Larvenstadien zur Puppe und schließlich zur adulten Ameise (Imago). Auch wenn es viel Variation gibt und bei den meisten Arten nur wenige Details bekannt sind, nimmt dieser Prozess rund ein bis zwei Monate in Anspruch. Die ersten Arbeiterinnen, Pygmäen genannt, sind kleiner als die folgenden Arbeitergenerationen und ernähren sich von Eiern, die von der Königin speziell für sie gelegt werden. Um die nötige Energie für die Nahrung zu gewinnen, mit der sie diese Pygmäen füttert, verstoffwechselt die Königin bei vielen Arten in dieser Zeit ihre Flugmuskulatur. Die Königin bleibt mit diesen Pygmäen im Nest und kümmert sich um sie, bis sie erwachsen sind und das Nest verlassen können, um auf Nahrungssuche zu gehen. Die Nahrung, die diese Arbeiterinnen zurück zum Nest bringen, dient dann dazu, die Königin und all ihre Nachkommen zu füttern. Wenn die Anzahl der Arbeiterinnen in der Kolonie zunimmt, verlagert sich der Schwerpunkt der Königin auf die Reproduktion, und die Arbeiterinnen übernehmen alle Aufgaben in der Kolonie, einschließlich Nahrungsbeschaffung, Pflege der Brut und Verteidigung der Kolonie. Die Kolonie wächst, während immer mehr Arbeiterinnengenerationen erfolgreich aufgezogen werden. Das ist das ergonomische oder exponentielle Stadium im Lebenszyklus der Kolonie. Schließlich kommt die Kolonie ins reproduktive Stadium. Auch wenn die adulten Ameisen in einer Kolonie vornehmlich aus Arbeiterinnen bestehen, gibt es auch alate Individuen: geflügelte fortpflanzungsfähige Adulttiere, bei denen es sich um unbegattete Königinnen oder um Männchen handeln kann. Wenn diese Tiere geschlechtsreif werden, schwärmen sie aus dem Nest aus, und der Lebenszyklus beginnt von Neuem.

Foto: ©SR 001 Alex Wild
Hochzeitsflug oder alternative Strategien
Da der Hochzeitsflug für die meisten Ameisenarten das wichtigste Paarungsereignis ist, ist es entscheidend für jede Art, den Zeitpunkt des Ausschwärmens zwischen verschiedenen Kolonien derselben Spezies zu synchronisieren, um sicherzustellen, dass sich die schwärmenden Männchen und die unbegatteten Königinnen auch tatsächlich treffen. Geschlüpfte Königinnen und Männchen sterben in der Regel wenige Stunden nach Verlassen ihres Heimatnests, wenn sie keinen Geschlechtspartner/ keine Geschlechtspartnerin finden. Einige Arten können innerhalb von weniger als einer Stunde mehrere Tausend Königinnen freisetzen, eine bedeutende energetische Investition. Da die Synchronisation des Hochzeitfluges also derart wichtig ist und die Kosten eines Fehlschlags derart hoch sind, haben Ameisen eine ganze Reihe von verhaltensbiologischen und chemischen Merkmalen entwickelt, um erfolgreiche Paarungsflüge sicherzustellen. Oft löst ein starker Umweltreiz das Ausschwärmen von Männchen und unbegatteten Königinnen aus ihren Kolonien aus. Relativ starke Regenfälle sind ein solches Schlüsselsignal, denn dann ist die Lage günstig für die Gründung neuer Nester, vor allem in sonst trockenen Habitaten. Ein weiterer Mechanismus ist die Freisetzung von Pheromonen durch die schwärmenden Männchen, deren Duft so intensiv sein kann, dass selbst Menschen ihn riechen, und sicherlich stark genug, um unbegattete Königinnen aus ihrem Nest zu locken. Um eine irrtümliche Paarung zwischen eng verwandten Arten zu vermeiden, die in Nachbarhabitaten leben, paaren sich einige Arten Beobachtungen zufolge in den spezifischen Habitattypen, in denen sie nisten, fast ausschließlich an ganz bestimmten Stellen, wodurch die Geschlechtstiere einer jeden Art räumlich voneinander getrennt werden.
Die Königinnen einiger Arten, zum Beispiel von Blattschneiderameisen, können sich auf dem Hochzeitsflug mit mehreren Männchen paaren. Das führt zu einer polyandrischen Kolonie, in der die Arbeiterinnen weniger eng miteinander verwandt sind als gewöhnlich, da sie zwar alle dieselbe Mutter haben, aber unter Umständen einen anderen Vater. Die männliche Linie (Patrilinearität) von Arbeiterinnen lässt sich mithilfe populationsgenetischer Methoden untersuchen und vergleichen, doch ohne solche Techniken kann es schwierig oder gar unmöglich sein festzustellen, ob die Königin einer Kolonie mit einem einzigen oder mit mehreren Männchen kopuliert hat. Die Paarung von Königinnen mit mehreren Männchen könnte dazu dienen, vor allem bei Arten mit einem hohen Inzuchtrisiko die genetische Variabilität in einer Population zu erhöhen, was Anpassungsfähigkeit und Überlebensrate auf lange Sicht steigern könnte. Die Erforschung von Natur und Ausmaß der Polyandrie (Vielmännerei) bei Ameisen steckt jedoch noch in den Kinderschuhen, was teilweise auch daran liegt, dass die dazu nötigen genetischen Techniken zuvor noch nicht verfügbar waren. Daher haben wir über die Ursachen und Konsequenzen dieses Phänomens noch viel zu lernen.
Am anderen Ende des Spektrums, von der Polyandrie aus gesehen, stehen Arten, deren Königinnen keine Hochzeitsflüge unternehmen, weil sie sich gar nicht mit Männchen paaren. Vielmehr können diese Königinnen nicht nur Männchen, sondern auch Weibchen aus unbefruchteten Eiern erzeugen. Der Mechanismus, der das ermöglicht, wird als Parthenogenese (Jungfernzeugung) bezeichnet und unterscheidet sich zwischen verschiedenen Arten. Bei einigen Arten, die die Arbeiterinnenkaste parthenogenetisch erzeugen, sind die entstehenden Arbeiterinnen Klone der Königin. Es gibt auch einige wenige Arten, die sich beim Einsatz von Parthenogenese selbst innerhalb einer einzigen Kolonie unterscheiden. Die europäische Schuppenameise (Cataglyphis cursor) beispielsweise erzeugt Königinnen per Parthenogenese, aber Arbeiterinnen durch sexuelle Fortpflanzung (also mittels Spermien, die sie auf dem Hochzeitsflug gesammelt hat). Die wohl bizarrste Fortpflanzungsstrategie findet sich bei der Kleinen Feuerameise (Wasmannia auropunctata). Bei dieser Art werden die Königinnen parthenogenetisch erzeugt, haben also keinen Vater. Männchen entstehen hingegen aus befruchteten Eiern (was bei Ameisen ungewöhnlich ist), aber solchen, bei denen das genetische Material des Weibchens durch einen genetischen Mechanismus in der Zygote (diploide Zelle, die bei der geschlechtlichen Fortpflanzung durch Verschmelzung zweier haploiden Geschlechtszellen entsteht) entfernt wird. Daher haben Männchen keine genetische Mutter, sondern nur einen Vater. Die sterilen Arbeiterinnen schlüpfen aus befruchteten Eiern, in denen das genetische Material der Mutter erhalten bleibt. Das höchst ungewöhnliche Ergebnis dieses Systems führt dazu, dass diese Art genetisch völlig eigenständige Linien von reproduktiven Männchen und Weibchen enthält.
WEGWEISENDES WIRKEN
Wie verläuft die Nahrungssuche?

Arbeiterinnen von Formica-Waldameisen können polymorph sein (weisen verschiedene Erscheinungsformen auf), produzieren aber keine eigenständigen Arbeiterinnenunterkasten. Sie gehen oft einzeln auf Nahrungssuche. Foto: ©Andrew Darrington, Alamy Stock Photo
Den größten Teil des Kolonielebens sind die Königinnen ans Nest gebunden, und die einzigen navigatorischen Fähigkeiten, die eine Rolle spielen, sind diejenigen der Arbeiterinnen. Die Hauptaufgabe der Arbeiterinnen, die das Nest verlassen, ist die Nahrungssuche, und Arbeiterinnen setzen verschiedene Strategien ein, um sich während ihrer Erkundungsgänge und auf Nahrungssuche nicht zu verirren. Am wichtigsten ist eine Pheromonspur. Die meisten Ameisenarten markieren ihren Weg mit speziellen chemischen Verbindungen, die sie in verschiedenen, sogenannten exokrinen Drüsen in der Gaster (hinteren Abschnitt des Hinterleibs) produzieren; zur Markierung benutzen sie ihren Stachel (oder ihren Acidoporus oder den Schlitz in der Gaster). Diese spezifischen Duftstoffe werden von ihren Nestgenossinnen als Spurpheromone erkannt. Drüsen, die diese Funktion übernehmen können, variieren je nach Spezies. […] Mithilfe der in diesen Drüsen produzierten Spurpheromone können die Arbeiterinnen Spuren zwischen Nesteingang und Futterquellen legen. […]
Zunächst verlassen Kundschafterinnen das Nest in verschiedenen, zufällig gewählten Richtungen und beginnen, eine Spur zu legen, sei es kontinuierlich, indem sie die Spitze ihrer Gaster oder ihres Stachels über den Grund ziehen, oder sie setzen beim Laufen in regelmäßigen Abständen Pheromontropfen ab.
Wenn die Kundschafterinnen auf Nahrung stoßen, verstärken sie je nach geschätztem Nahrungsbedarf der Kolonie beim Rückweg zum Nest die chemische Spur. Diese Spurverstärkung ist wichtig und eine Schlüsselkomponente der Kommunikation von Ameisen, was Nahrungssuche und Navigation angeht, denn Spurpheromone sind relativ flüchtig und verdunsten rasch, wenn sie nicht verstärkt werden. Rekrutierte Arbeiterinnen, die in der Regel den von ihren Schwestern gelegten Spuren blindlings folgen, konzentrieren sich dabei verstärkt auf Spuren mit einem intensiveren chemischen Signal und verstärken die Spur weiter, solange die Nahrungsquelle vorhanden ist. Dieses System sorgt dafür, dass nahrungssuchende Arbeiterinnen auch ohne Anführerin oder optische Wegweiser unter mehreren Möglichkeiten kollektiv den vielversprechendsten Weg «wählen» und im Durchschnitt qualitativ höherwertige Nahrungsquellen nutzen.
Bei einigen Arten gehen die Arbeiterinnen individuell statt kollektiv auf Nahrungssuche, doch die solitären Arbeiterinnen dieser Arten markieren ihren Weg dennoch mit Pheromonen, um eine erfolgreiche Navigation zwischen Nest und Nahrungsquelle sicherzustellen. Nahrungssuche via Pheromonspuren ist ein effektiver Mechanismus, der sich die Vorteile der Eusozialität (besondere Form des Sozialverhaltens) zunutze macht und sich daher unabhängig auch bei Termiten entwickelt hat, einer anderen terrestrischen eusozialen Insektengruppe. Es gibt jedoch noch andere Strategien bei der Nahrungssuche: Insbesondere das Tandemlaufen basiert bei der Navigation auf körperlichem Kontakt statt auf chemischer Signalgebung. Beim Tandemlauf rekrutiert eine «Führerin» eine «Rekrutin», indem sie mit ihren Mandibeln (Mundwerkzeuge) an denen ihrer Schwester zieht und ihr via Gaster chemische Verbindungen präsentiert. Die rekrutierte Ameise bleibt dann dicht hinter der Führenden und hält mit ihren Fühlern Kontakt zu ihr, während die rekrutierende Ameise sie zur Nahrungsquelle dirigiert. […] Welche Methoden eine Ameisenart zur Nahrungssuche und zur Navigation benutzt, hängt im Allgemeinen zumindest teilweise von ihrer Hauptnahrungsquelle ab. Eine kollektive Rekrutierung ist dann besonders nützlich, wenn es um die Nutzung großer, unbeweglicher Quellen geht, wie ein Stück Zucker oder ein größeres, verwesendes Wirbeltier; hingegen reicht eine individuelle Nahrungssuche aus, wenn es um den Fang kleiner, beweglicher Beutetiere geht, wie z.B. Springschwänze (Collembolen). In Lebensräumen, wo große Hitze oder Exposition gegenüber den Elementen den Einsatz von Spurpheromonen unpraktisch macht, wie im Wüstensand, mussten alternative Navigationssysteme entwickelt werden. Die wüstenlebende Cataglyphis bicolor ist ein solches Beispiel; ihre großen Komplexaugen weisen einzigartige, räumlich operierende Ommatidien (Einzelaugen) auf, und sie hat überdies die Fähigkeit entwickelt, ihre Schritte vom und zum Nest zu zählen.

Foto: ©Irina Kozorog, Shutterstock
BAUKUNST UND ARCHITEKTUR
Wie findet sich eine geeignete Umgebung?
Der Erfolg einer Ameisenkolonie hängt davon ab, dass eine Königin ein qualitativ hochwertiges Habitat zum Nisten findet und dass Arbeiterinnen, sobald eine Kolonie sich etabliert hat, Nahrungsquellen erschließen und Nahrung zurück zum Nest bringen. […]
Ameisenkolonien reagieren sehr sensibel auf Feuchtigkeit und Temperatur; beides sind daher wichtige Faktoren bei der Wahl eines Nistplatzes wie auch bei der Nestarchitektur. Begattete Königinnen unterirdisch lebender Arten suchen im Allgemeinen nach feuchter Erde oder anderem feuchten Substrat, bevor sie einen Tunnel graben und die erste Nistkammer anlegen. Eine feuchte Umgebung sorgt dafür, dass die Königin und ihre Brut nicht so leicht austrocknen, und hilft der jungen Kolonie, Wasser zu sparen. Manche Ameisen passen sogar die Menge an Feuchtigkeit im Boden an, um einen bestimmten Feuchtigkeitspegel in den verschiedenen Kammern des Nests aufrechtzuerhalten. Die Waldameise Formica ulkei gehört zu den Arten, die dazu in der Lage sind. Wir wissen nicht genau, wie diese Feuchtigkeitsregulierung gelingt, doch die Ameisen bauen ihr Nest offenbar in einer Weise, die strukturell für eine optimale Feuchtigkeit sorgt. Mehrere Arten platzieren Larven bevorzugt in den feuchteren und Puppenkokons in den trockeneren Kammern – die ponerine (alte) Ameisen-Art Prionopelta amabilis geht so weit, die Kokonkammern mit Fragmenten von Puppenkokons auszukleiden, damit die Kammer in ihren ansonsten feuchten Nestern in umgefallenen Stämmen und vermoderndem Holz nicht zu feucht wird. Die Nahrungssammlerinnen einer anderen «Ur»-Art, Neoponera villosa, tragen Tautropfen (oder Wasser aus anderen Quellen) zurück ins Nest. Nachdem durstige Arbeiterinnen und Larven getrunken haben, nutzen die Sammlerinnen den Rest zur Befeuchtung, indem sie ihn einfach in die Erde im Nest geben oder etwas davon auf die Kokons tupfen. Baumlebende Ameisen haben weniger Optionen, um die Nestfeuchtigkeit zu verändern; daher haben viele Arten eine höhere Toleranz für trockenere Habitate hervorgebracht, […]. Die verschiedenen Strategien, die Ameisen entwickelt haben, um die Feuchtigkeit im Nest zu kontrollieren, sind eine Folge des ökologischen Selektionsdrucks auf alle Ameisenarten, genügend Feuchtigkeit für Eier, Larven, Puppen und die Königin sicherzustellen.
Text: adaptiert und gekürzt aus «Ameisen»
Umleitungsaktionen und die Sache mit dem Wasser
Nun können Sie vielleicht besser nachvollziehen, weshalb sich der Einsatz von stark riechenden Hilfsmitteln bei der Umleitung von Ameisenstraßen für mich bewährt hat. Die riechenden natürlichen Substanzen (Lavendel, weihnachtliche Gewürze, Kaffee) überlagern die Pheromonspur der Ameisen. Ich überschreibe quasi die Ameisenspur mit diesen starken Gerüchen (natürlich vorsichtig, sodass keine Ameise verletzt wird). Dadurch verlassen die Ameisen die Straße und bilden einen neuen Weg.
In den Theaterräumen gelang es mir jeweils die Straßen entweder ganz nach draußen oder zumindest an den Rand des Raums hinter die Fußleiste zu verschieben.
Eine interessante Beobachtung, die ich hier ebenfalls teilen möchte, ist die Sache mit dem Wasser. Neben der Nahrungssuche spielt auch der Anschluss an eine Wasserquelle eine bedeutende Rolle. Als ich z.B. einmal von den Ferien zurückkam und in den Theaterräumen nach dem Rechten schauen wollte, hat die Kolonie die menschenfreie Zeit genutzt und das gesamte Lavabo eingenommen. Oder letzten Sommer in unserer Buchhandlung – da bildete sich eine Ameisenstraße zwischen einer kleinen Grünfläche vor dem Geschäft durch das geschlossene Fenster bis zum Wassertank der naheliegenden Kaffeemaschine.
Das Lavabo im Theater konnte ich mithilfe der Geruchsmethode wieder zurückerobern, die Kaffeemaschine durch eine Verschiebung ebendieser in einen anderen Teil der Buchhandlung.
Abschließend lässt sich sagen: Auch wenn es hie und da etwas nervenaufreibend war (oder sein kann), möchte ich meine Erfahrungen und das Gelernte durch die Auseinandersetzung mit dieser faszinierenden Tierart und ihrer Lebens- und Verhaltensweise keinesfalls missen. Und ich freue mich bereits auf den kommenden Frühling und weitere Ameisen-Momente …
Heather Campbell ist Dozentin für Entomologie an der Harper Adams University in Shropshire, UK. Sie ist National Geographic Explorer und Mitherausgeberin des Journal of Ecology.
Benjamin Blanchard promovierte in Evolutionsbiologie an der Universität von Chicago. Er verfasst einen Wissenschaftsblog namens The Daily Ant.