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Flora von Bayern: Bayern als Lebensraum für Pflanzen

Die letzte «Flora von Bayern» erschien vor 110 Jahren (Vollmann 1914*), der «Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayern» vor 34 Jahren (Schönfelder & Bresinsky 1990**). Seitdem hat sich das Wissen um Bayerns Flora, vor allem bedingt durch die unschätzbare Leistung … Weiterlesen →

Die letzte «Flora von Bayern» erschien vor 110 Jahren (Vollmann 1914*), der «Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayern» vor 34 Jahren (Schönfelder & Bresinsky 1990**). Seitdem hat sich das Wissen um Bayerns Flora, vor allem bedingt durch die unschätzbare Leistung vieler eifriger ehrenamtlich an der Kartierung Beteiligten, enorm vergrößert: der Kartierstand der floristischen Erfassung Bayerns stieg an von etwa 1 Million Datensätzen zu Zeiten des Bayernatlas auf heute 15,94 Millionen Datensätze.

© Andreas Fleischmann

In unserer neu erschienenen «Flora von Bayern» werden nun alle rund 6000 historisch und aktuell in Bayern nachgewiesenen Arten im Porträt vorgestellt. Damit ist sie das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Dokumentation.

Einen kleinen Einblick in dieses Monumentalwerk, das übrigens knapp 14 Kilo auf die Waage bringt, geben wir Ihnen hier im Folgenden und zeigen, was Bayern als Lebensraum für Pflanzen ausmacht. Ein paar Bilder von Vegetationstypen runden den Beitrag ab. Und für alle, die sich für Statistik interessieren, haben wir am Ende noch die wichtigsten Zahlen aufgelistet.

Doch bevor wir starten, müssen wir den Begriff «Flora» differenzieren: Einerseits ist Flora die Gesamtheit aller Pflanzensippen (Taxa) eines Gebietes.
Eine Flora ist hingegen ein Buch, das die Pflanzensippen eines Gebietes aufzählt
und in unterschiedlicher Weise mit zusätzlichen Informationen versieht. Und damit haben wir es hier zu tun.

*Vollmann, F. 1914a: Flora von Bayern, 840 Seiten, Verlag Ulmer Stuttgart. / **Schönfelder, P. & Bresinsky, A. (Hrsg.) 1990: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Bayerns. 752 S., Stuttgart.

BAYERN ALS LEBENSRAUM FÜR PFLANZEN

Bayern ist aufgrund seiner naturräumlichen Ausstattung das deutsche Bundesland mit der größten Anzahl von Farn- und Blütenpflanzen. Als größtes deutsches Bundesland mit einer Fläche von 70.550 km² nimmt es den Südosten Deutschlands ein. Der Freistaat erstreckt sich von der Rhön im Norden bis zu den Nördlichen Kalkalpen im Süden, vom Nördlinger Ries im Westen bis zum Bayerischen Wald im Osten. Aus der Überlagerung von natürlichen und menschlichen Einflüssen ergibt sich eine bemerkenswerte Vielfalt von Flora und Vegetation.

Umweltfaktoren

Die auf Pflanzen wirkenden Standortfaktoren werden maßgeblich
durch das Zusammenwirken von Relief, Böden und Klima bestimmt.

Geologie und Böden: Die Ausgangsgesteine bestimmen durch ihren Mineralbestand (Chemismus, Korngröße, Verwitterbarkeit) die Erosionanfälligkeit, den Wasserhaushalt (Speicherkapazität, Durchlässigkeit) und das Nährstoffangebot der Böden.
Böden sind ein Gemisch aus mineralischen Verwitterungsprodukten mit organischen Substanzen und Mikroorganismen. In ihren Poren befinden sich in wechselnden Anteilen Luft und Bodenwasser, mit dem die Pflanzenwurzeln gelöste Nährsalze aufnehmen. Für Pflanzen wesentliche Bodeneigenschaften, von Ellenberg
et al. (2001*) als ökologische Zeigerwerte codiert, sind pH-Wert und Basensättigung, der Wasser- und Lufthaushalt sowie die Verfügbarkeit der Makronährelemente Stickstoff, Phosphor und Kalium, welche in naturnahen Ökosystemen aus dem Humusumsatz, in landwirtschaftlichen Böden durch Düngung bereitgestellt werden.

*Ellenberg, H., Weber, H. E., Düll, R., Wirth, V. & Werner, W. 2001: Zeigerwerte von Pflanzen in Mitteleuropa. – Scripta Geobotanica 18(4.): 262.

Klima: Als Klima bezeichnet man den mittleren physikalischen Zustand der Atmosphäre über eine Referenzperiode (meist drei Jahrzehnte, hier 1971–2000). Mit Jahresdurchschnittstemperaturen von –4,6–10,1° C und gleichmäßig über das Jahr verteilten Niederschlägen von 575–2025 mm gehört Bayern zur kühl gemäßigten Klimazone. Die Westwinddrift führt vorwiegend feuchte Luftmassen nach Bayern. Im ozeanischen Nordwesten sind die Niederschläge gleichmäßig über alle Monate verteilt, während sie in weiten Teilen Bayerns ein ausgeprägtes Sommermaximum aufweisen. Da der maritime Einfluss regelmäßig durch trockene, im Winter kalte, im Sommer heiße kontinentale Hochdrucklagen abgelöst wird, spricht man von einer subatlantischen Klimatönung.

Ausgewählte Vegetationsbilder und Vegetationstypen aus Bayern

Folgende Bilder bedürfen nicht viel Text, sondern sollen die Vielfalt der Vegetationsbilder Bayerns veranschaulichen:

Ackerbrache im Vertragsnaturschutz, mit Papaver rhoeas, Anthemis austriaca, Vicia glabrescens u. a., Karlstadt, Unterfranken. 15.06.2021. Foto: Marcel Ruff.

Flugsand-Binnendünen mit Silbergras (Corynephorus canescens) in lockerem Kiefernwald, Siegenburg, Niederbayern. 29.05.2022. Foto: Marcel Ruff.

Artenreiche Saumgesellschaft mit wärmeliebenden Arten u. a. Buphthalmum salicifolium, Centaurea scabiosa, Galium boreale, Briza media. 27.06.2021. Foto: Marcel Ruff.

Salztolerante Ruderalvegetation am Autobahnmittelstreifen, hier Cuscuta campestris parasitierend auf Senecio inaequidens, A8 bei Frasdorf, Chiemgau, Oberbayern, 22.07.2024.
Foto: Andreas Fleischmann.

Erlenbruchwald, Lech-Altarm bei Mundraching, Oberbayern, 26.04.2015. Foto: Andreas Fleischmann.

Artenreiche, beweidete Streuwiese u. a. mit Dactylorhiza majalis und Lychnis floscuculi, Oberbayern. 26.05.2024. Foto: Marcel Ruff.

Flach- und Übergangsmoor, Pfrühlmoos, Oberbayern. 25.07.2022. Foto: Marcel Ruff.

Alpines Kalkflachmoor (Verlandungsmoor eines Karsees) mit Eriophorum scheuchzeri und E. latifolium, Schrecksee, Allgäuer Alpen, 06.09.2013. Foto: Andreas Fleischmann.

 

Farn- und krautreicher Unterwuchs im Berg-Mischwald, Hintersteiner Tal, Allgäuer Alpen, 05.09.2013. Foto: Andreas Fleischmann.

Statistik und Sippenbilanzen

Zum Schluss ist es sicher für den einen oder die andere interessant, sich mit den Zahlen zu beschäftigen. In der «Flora von Bayern» sind folgende Sippen nachgewiesen und größtenteils mit Foto und Verbreitungskarte aufgelistet.

  • Taxa insgesamt: 5886
  • davon Arten: 4778
  • Unterarten: 1313
  • Varietäten: 109
  • Hybriden: 708

Nicht mit in diese Sippengesamtbilanz eingerechnet, aber im Werk ebenfalls behandelt sind folgende Kategorien:

  • Aggregate: 48
  • für Bayern (früher) erwähnte Sippen, deren Vorkommen nicht gesichert oder fraglich ist: 97
  • für Bayern (früher) erwähnte Sippen, deren Vorkommen irrig oder falsch ist: 116

Von den insgesamt 5886 in Bayern nachgewiesenen Pflanzen-Sippen sind:

  • Indigene (Einheimische, einschließlich Archäophyten): 3065
  • davon ausgestorben oder verschollen: 82 (davon allerdings bei 9 unklar,
    ob wirklich indigen)
  • davon aktuell noch im Gebiet vorkommend: 2983
  • Neophyten: 1955
  • Davon Eingebürgerte (etablierte Neophyten): 380
  • Davon Neophyten mit Tendenz zur Etablierung im Gebiet: 208
  • Davon unbeständig adventive Neophyten, Kulturflüchtlinge: 1367
  • Kultivierte (im Gebiet nur kultiviert oder forstlich eingebracht vorkommende Pflanzensippen):103

Die Herausgeber:

Prof. Dr. Lenz Meierott (* 1942) ist Musikwissenschaftler und Botaniker.

Foto: Franz Hoeck

PD Dr. Andreas Fleischmann (* 1980) ist Botaniker an der Botanischen Staatssammlung München.
Marcel Ruff (* 1983) ist Botaniker am Bayerischen Landesamt für Umwelt.
Dr. Wolfgang Lippert (1937-2018) war Botaniker an der Botanischen Staatssammlung München.

Die Bayerische Botanische Gesellschaft ist eine Vereinigung floristisch interessierter Fachleute und Pflanzenliebhaber/innen, sie wurde 1890 gegründet und widmet sich seither der Erforschung, Erfassung und dem Schutz der Pflanzenwelt Bayerns. Sie ist gemeinnützig und wird ehrenamtlich geleitet. Die Gesellschaft hat derzeit ca. 730 Mitglieder.

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