
Can you paint with all the colors of the «Wind»?
Wenn ich an Wind denke, denke ich an den Disney-Film Pocahontas und an ihr Lied, das sogleich in meinem Kopf ertönt («Can you sing with all the voices of the mountain? Can you paint with all the colors of the wind? …»). Ich denke an den Sturm Lothar, der am 26. Dezember 1999 ganze Bäume rund um unser Haus umriss und in die umliegenden Häuser forcierte. Ich erinnere mich an die Kraft und die Zerstörung, obschon ich erst 7 Jahre alt war. Wenn ich an Wind denke, denke ich automatisch auch an seine Absenz, wie z.B. im vergangenen Sommer: Strandferien in Süditaliens, 40 Grad Celsius und kein Lüftchen wehte …
Man merkt anhand dieser ganz persönlichen Assoziationen und Gedanken: Der Wind ist etwas sehr vielseitiges. Durchsichtig, mobil, unberechenbar und vielleicht gerade aus diesen und weiteren Gründen nicht leicht zu greifen oder in eine Schublade zu stecken.
Vor Kurzem ist zu diesem Naturphänomen ein Buch in unserem Verlag erschienen: In «Wind» erläutert uns die Autorin Louise M. Pryke nicht nur die faszinierenden wissenschaftlichen Grundlagen des Winds, sondern auch, wie er seit der Antike in Mythen, Religion, Kunst und Literatur dargestellt wird und bis heute wissenschaftliche Innovationen inspiriert. In diesem Beitrag habe ich drei Facetten des Winds aus dem Buch ausgewählt und möchte diese mit Ihnen teilen. Die Auswahl der drei Themen ist eine rein persönliche Auswahl und auf meine persönlichen Interessen zurückzuführen. Im Buch findet sich aber weit mehr zum Wind und seiner Natur- und Kulturgeschichte.
Lassen Sie sich also gerne treiben und entdecken und erleben Sie das «Farbenspiel des Winds».
Sprechende Bäume und flüsternde Winde
Nicht nur Menschen und Tiere kommunizieren über den Wind, auch für die Pflanzen stellt die Luftbewegung eine Art natürliches Nachrichtensystem dar. Untersuchungen haben gezeigt, dass Bäume und andere Pflanzen über Gase, die vom Wind von einem Organismus zum anderen transportiert werden, miteinander kommunizieren können. Bei diesen Gasen handelt es sich um sogenannte «flüchtige organische Verbindungen». Wir kennen sie eher als Duftstoffe von Blüten oder als süßen Geruch von frisch gemähtem Gras. Im Fall des geschnittenen Grases gibt die verletzte Pflanze eine Art «Notsignal» ab, das andere Pflanzen in der Nähe vor der Gefahr eines lauernden Rasenmähers warnt. Das Gras mag im «Kampf» gegen den Rasenmäher unterlegen sein, aber auch andere Pflanzen nutzen vom Wind übertragene Botschaften, um sich vor Fressfeinden zu schützen.
Ein Beispiel für dieses «Wood Wide Web» wurde in den Savannen Afrikas südlich der Sahara entdeckt. Die Schirmakazie ist ein Sinnbild für diese Region. Neben den charakteristischen Dornen nutzt der Baum subtilere (jedoch nicht weniger gefährliche) Mittel, um sein Überleben zu sichern. Wenn ein Tier, beispielsweise eine Antilope, auf den Blättern der Schirmakazie herumzukauen beginnt, gibt der Baum Ethen in die Luft ab. Das Gas wird mit dem Wind zu anderen Schirmakazien in der Umgebung transportiert, die auf die «Nachricht» mit der Erhöhung des Tanningehalts in ihren Blättern reagieren. Die Tannine (Gerbstoffe) sind giftig und können für große Säugetiere, die die Akazienblätter fressen, sogar tödlich sein.
Interessanterweise haben Giraffen die beeindruckende Fähigkeit, den defensiven Botschaften der afrikanischen Akazien etwas entgegenzusetzen. Giraffen fressen in der Regel auf der windabgewandten Seite und verhindern so, dass die Bäume ihr Nachrichtensystem nutzen, um ihre Nachbarn zu warnen. Auf diese Weise spiegeln die Giraffen die Strategien fleischfressender Tiere wider, die die Windrichtung nutzen, um ihre Anwesenheit zu verbergen, wenn sie sich an ihre Beute anpirschen. Weht kein Wind, fressen die Giraffen in größerer Entfernung als derjenigen, über die das Ethen transportiert werden kann, und umgehen auf diese Weise die Verteidigungsmaßnahmen der Bäume.

© Fiona Hofer: Pflanzen können über den Wind miteinander kommunizieren.
Wetter als Waffe
Viele der heutigen Bestrebungen, das Wetter zu kontrollieren, dienen dem Umweltschutz oder der Unterstützung von Gemeinschaften, die unter schwierigen Bedingungen um ihr Überleben kämpfen. Wissenschaftler:innen hoffen, durch Beeinflussung von Wettersystemen die zerstörerischen Auswirkungen von Wetterereignissen mildern zu können.
Doch Wetter wurde auch schon zu weniger harmlosen Zwecken beeinflusst. Im Rahmen der Operation «Popeye» setzte die US-Regierung während des Vietnamkriegs Wolkenimpfung als Waffe ein, um die Monsunsaison zu verlängern und die Intensität der Winde zu erhöhen. Der Einsatz von Cloud Seeding während des Vietnamkriegs gilt als erste Anwendung von Wetterbeeinflussung als Waffe in der Geschichte. Die Operation «Popeye» zielte darauf ab, den US-Streitkräften einen taktischen Vorteil in dem sich verschärfenden Konflikt zu verschaffen. Von 1966 bis 1972 flogen Flugzeuge der US-Luftwaffe über Vietnam und sprühten Blei und Silberiodid in die Wolken, um den Monsunregen zu verstärken. Die Kosten für das Wolkenimpfprogramm beliefen sich auf 3 Millionen Dollar pro Jahr. Ziel war, die Nachschublinien der nordvietnamesischen Truppen zu unterbrechen, indem der Ho-Chi-Minh-Pfad überflutet und Erdrutsche, Überschwemmungen und Unruhen verursacht wurden. Da die Wetterbeeinflussung politisch ein heikles Thema war, wurde die Operation im Geheimen durchgeführt: Offiziell sollten die Flugzeuge die US-Truppen mit Aufklärungsdaten versorgen. Die Einzelheiten zur Operation «Popeye» wurden erst 1974 auf offiziellem Wege bekannt gegeben und ließen viele Fragen offen – unter anderem, wie der Plan den Ausgang des Krieges beeinflusst haben könnte. 1972 deckte die New York Times in einem Artikel das Vorgehen auf, über das die Washington Post 1971 erstmals berichtet hatte. Die Washington Post wies auf das Problem des «Bumerangeffekts» und die unerwarteten Verluste beim Einsatz von Wetter als Kriegswaffe hin und erklärte, dass die amerikanischen Angriffe auf den Monsun in Vietnam bereits schädliche Auswirkungen in Laos gezeigt hätten.

© Fiona Hofer: Die zerstörerische Seite von Wind.
Wetterbeeinflussung durch Regierungen zu militärischen Zwecken war in der Öffentlichkeit so unbeliebt, dass Operation «Popeye» als «Watergate der Wetterkriegsführung» bekannt wurde. Wetterbeeinflussung als kriegerischer Akt wurde von der amerikanischen Öffentlichkeit schlecht aufgenommen. Die Allgemeinheit äußerte ihr Unbehagen über die Bemühungen der Regierung, «Gott zu spielen». Die ablehnende Haltung der Öffentlichkeit führte zu einer überstürzten Verabschiedung von Gesetzen zum Verbot von Wetterbeeinflussung als Waffe. 1978 wurde ein Vertrag unterzeichnet, der Wetterbeeinflussung im Rahmen der Kriegsführung verbot. Die Regelungen sind aber so lückenhaft, dass sie als unwirksam angesehen werden, und Wetter wird von Regierungen auf der ganzen Welt weiterhin als potenzielle Waffe betrachtet.
Die Fähigkeit des Menschen, sich Wind mithilfe von Technologie zunutze zu machen, hat den globalen Handel ermöglicht und das Streben nach nachhaltiger Energieerzeugung angetrieben. Die Nutzung von Windenergie hat territoriale und gesellschaftliche Grenzen verschoben. Die wissenschaftlichen Bemühungen um die Bereitstellung sauberer Energie und die kühnen Versuche, dem Menschen das Fliegen zu ermöglichen, zeigen, dass die Natur sowohl Anregung als auch Mittel war, die Grenzen des bisher Möglichen zu erweitern. Diese Bemühungen haben der Menschheit großen Nutzen gebracht, wenngleich die Nutzung von Wind im Laufe der Geschichte nicht immer positiv war, wie die Versuche zur Windbeeinflussung im Fall von Konflikten zeigen. Mit Blick auf Wind, Handel und Technologie werden Parallelen deutlich zwischen den veränderlichen Eigenschaften von Wind und den schöpferischen und zerstörerischen Zwecken, für die die natürliche Umwelt im Laufe der Menschheitsgeschichte genutzt wurde.
Wind in der Kunst
Die frühesten mittelalterlichen Seekarten enthielten Windrosen – geometrische Zeichnungen mit farbkodierten Linien, die verschiedene Winde und Richtungen darstellten. Windrosen waren auch auf frühen Magnetkompassen zu finden, ein Zeichen für die Vorrangstellung der Winde in der Geschichte der Seefahrt und Navigation. Passatwinde wurden auf frühen Karten für die Seeschifffahrt oft durch Pfeile dargestellt, die ihre vorherrschenden Richtungen anzeigten, wie zum Beispiel auf der Weltkarte des englischen Kartografen Herman Moll aus dem Jahr 1732. Die Windsymbole auf den heutigen Wetterkarten haben sich aus diesen früheren Traditionen entwickelt, wobei Pfeile weiterhin zur Darstellung der Windrichtung verwendet werden und die Federn auf den Pfeilsymbolen die voraussichtliche Windgeschwindigkeit anzeigen.
In der bildenden Kunst stehen – da Wind unsichtbar ist – oft die Auswirkungen und nicht der Wind selbst im Vordergrund. Beispiele dafür sind Bilder vom Drachensteigen oder von Windmühlen. In den Werken des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai wird das Zusammenspiel zwischen dem Wind und anderen natürlichen Elementen dargestellt. In dem Stillleben Mohnblumen (um 1820–1834) sind Blumen zu sehen, die sich unter der unsichtbaren Kraft des Windes biegen. Im Farbholzschnitt Klare Morgendämmerung bei Südwind (um 1830–1832) verleihen die atmosphärischen Elemente des Herbstes dem Berg Fuji eine rote Färbung, auch hier sind die Auswirkungen von Wind sichtbar.

Wikimedia Commons: «Klare Morgendämmerung bei Südwind» oder «Fine Wind, Clear Weather», Katsushika Hokusai, ca. 1830.
Einen ganz anderen Ansatz haben die Kunstwerke des Niederländers Vincent van Gogh (1853–1890). Anstatt sich auf die vom Wind erzeugten Effekte zu konzentrieren, entdeckte der postimpressionistische Künstler eine Möglichkeit, die Bewegung der Luft auf der Leinwand darzustellen. Physiker:innen der Universität von Mexiko haben nachgewiesen, dass mehrere Werke van Goghs die mathematische Struktur turbulenter Luftströmungen widerspiegeln. Zu diesen Werken gehören Sternennacht (1889), Zypressenweg unter dem Sternenhimmel (1890) und Kornfeld mit Krähen (1890). Die Gemälde stammen aus der Spätphase des Künstlers, in der er längere Phasen geistiger Unruhe durchlebte. Die Autor:innen der Studie vertraten die Ansicht, dass dieser geistige Zustand Van Goghs Fähigkeit erklären könnte, die Qualität von Turbulenzen genau darzustellen. Das Muster von Licht und Schatten in diesen Werken spiegelt die mathematischen Strukturen turbulenter Strömungen wider, wie man sie beispielsweise in der verwirbelten Luft findet, die aus einem Düsentriebwerk austritt. Bis heute ist Van Gogh der einzige Künstler, der die Bewegung der Luft in seinem Werk mit mathematischer Präzision wiedergegeben hat.

Wikimedia Commons: «Sternennacht» oder «Starry Night», Gemälde von Vincent van Gogh, 1889 (gescannt von Google Art Project).
Die abstrakte Verschmelzung von Wind mit göttlichen Kräften findet sich in der Kunst oft in Form von Symbolen. Der italienische Künstler Sandro Botticelli erweckte in Die Geburt der Venus (um 1485) die griechische Mythologie zum Leben. Das Gemälde, Inbegriff der Renaissancekunst, zeigt die griechische Liebesgöttin Aphrodite (die die Römer als Venus kannten). Sie wird vom Atem Zephyrs, Gott des Westwindes, über das Meer an die Küste getragen. In seinen Armen hält Zephyr eine Nymphe, bei der es sich um das Objekt seiner Begierde handeln könnte, das in Botticellis Primavera (etwa aus der gleichen Zeit) dargestellt ist.

Wikimedia Commons: «Die Geburt der Venus» oder «Nascita di Venere», Sandro Botticelli, ca. 1485.
In Primavera wird Zephyr bei der Entführung seiner zukünftigen Braut Chloris (auch Flora genannt) gezeigt, einer Nymphe, die mit dem Frühling und mit Blumen assoziiert wird. Sowohl Aphrodite als auch Zephyr stehen in der griechischen Mythologie für Fruchtbarkeit – so wie die schöpferische Kraft des Windes, der die Samen verstreut und die Pflanzen keimen lässt.

Wikimedia Commons: «Primavera», Sandro Botticelli, ca. 1482.
Ich hoffe, Sie haben diese windigen Aspekte ebenso fasziniert, wie mich.
Abschließend noch die folgende Frage: Was assoziieren Sie mit Wind?
Text: adaptiert und gekürzt aus «Wind»
Louise M. Pryke ist Dozentin an der University of Sydney. Sie hat mehrere Bücher zu kultur- und naturgeschichtlichen Themen verfasst. «Wind» ist ihr erstes Buch, das in deutscher Sprache erscheint.