
Mittelmeer: Bedrohte Meister der Meere
Seine Haut ist rau wie eine Raspel. Das nutzen kleine Fische und reiben sich daran, um Parasiten loszuwerden.
Konstantes Schwimmen ermöglicht, dass frisches, sauerstoffreiches Wasser an seine Kiemen kommt, ansonsten droht er zu ersticken.
Na, haben Sie bereits erraten, von wem die Rede ist?
Am vergangenen Montag ist das neuste All-Age-Bilderbuch der Illustratorin und Autorin Katharina Vlcek in unserem Verlag erschienen. «Mittelmeer» heißt es und ist neben «Amazonien» und «Afrika!» bereits ihr drittes Buch in unserem Verlag!
Im folgenden Beitrag tauchen wir sogleich ein in das nasse Meerblau und nehmen uns gemeinsam der Doppelseite an, welche Vlcek dem HAI (insbesondere dem Weißen Hai), einem oft verkannten und gefürchteten Lebewesen, gewidmet hat.
Meisterbeißer
Es stimmt, Haie und besonders der Weiße Hai können gefährlich sein und selten sterben Menschen durch eine Haiattacke. Doch Haie sind keine Ungeheuer und Menschen stehen auch nicht auf ihrem normalen Speiseplan.
Ein kleiner Funfact hierzu: Tatsächlich werden in der New Yorker U-Bahn mehr Menschen von anderen Menschen gebissen, als weltweit Menschen im Meer von Haien.
Meisterstück der Evolution
Schon seit über 450 Mio. Jahren gibt es Haie in den Weltmeeren. Sie haben fünf Massensterben überstanden und sind älter als die Dinosaurier. Die Evolution dieser Tiere ist schwer nachzuvollziehen, da es von ihrem knorpeligen Skelett nur selten Fossilien gibt. Gut erhalten blieben dagegen die Zähne. Die Geschichte der Haie wird also hauptsächlich mithilfe der fossilen Zähne erforscht. Bis zu 300 Zähne in 5 Reihen hat ein Weißer Hai im Maul, was ihn wahrscheinlich auch so angsteinflößend macht. Die Zähne der vorderen Reihen fallen laufend aus und werden durch die hinteren ersetzt, denn durch die Jagd und das Fressen nutzen sie sich schnell ab.
Der ausgestorbene Megalodon war wohl die größte Haiart, die je gelebt hat. Ein Zahn eines Megalodons bedeckt circa die Fläche einer menschlichen Hand.
Meisteraufspürer
Menschen und Tiere erzeugen im Wasser schwache elektrische Felder. Menschen bemerken sie nicht, Haie und Rochen dagegen schon: Mit ihren besonders sensiblen Poren am Kopf können sie die schwachen elektrischen Felder spüren. Diese Poren heißen lorenzinische Ampullen und sind Teil des Seitenliniensystems. Ist ein Hai auf der Jagd, sind all seine Sinne gefragt. Der Geruch von Blut oder die Geräusche panischer Bewegungen reichen bereits, um seine Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Anhand eines Flossenschlags eines Fisches kann der Weiße Hai hören, ob dieser verletzt ist. Sogar einen über 500 m entfernten Blutstropfen kann ein Weißer Hai riechen.
Manche Haie und Rochen können das Herzklopfen eines Fisches spüren, der sich 15 cm tief im Sand vergraben hat.
Manche Haie jagen eher auf Sicht, andere verlassen sich auf ihr Seitenliniensystem, um zu spüren, wo das Beutetier ist. Im letzten Moment orientiert sich der Hai am elektrischen Feld seiner Beute – mit den lorenzinischen Ampullen über dem Maul spürt er ganz genau, wo er zuschnappen muss.
Die Meister der Meere als Speisefische?
Haie sind essentiell für das Meer. Sie halten das gesamte marine Nahrungsnetz im Gleichgewicht und erhalten Ökosysteme. Ohne Haie würden beispielsweise die Seegraswiesen zurückgehen, weil zu viele Schildkröten und Fische das Seegras fressen würden. Leider ist dieses Szenario nicht ganz unwahrscheinlich, denn das Mittelmeer ist das gefährlichste Meer für Haie geworden. Über die Hälfte der hier lebenden Haiarten ist bedroht. Das ist die Schuld von uns Menschen: Durch die Fischerei sterben massenweise Haie als Beifang oder werden gezielt gefischt.
Haie stehen an der Spitze des marinen Nahrungsnetzes. Darum lagern sich in ihrem Fleisch besonders viele Giftstoffe ein. Bei Stichproben von Haifischfleisch werden die Grenzwerte für Schadstoffe teils um das 4-fache überschritten. Trotzdem werden Haie weltweit gegessen und gehandelt. Zu den größten Haifischexporteuren gehört Spanien, Italien ist eines der wichtigsten Importländer.
Mit bis zu 6.40 m Länge ist der Weiße Hai der größte Räuber im Mittelmeer. Dennoch ist er hier stark vom Aussterben bedroht. Der Bestand ist seit 1947 um fast 90 % zurückgegangen. Hai, der als Schwertfisch verkauft wird, ist übrigens einer der häufigsten Betrugsfälle mit Meerestieren in Italien.
Wir sehen also, Haifische sind weit mehr als nur die Ungeheuer aus Schlagzeilen oder «Sharksploitation»-Filmen, in denen Haie zum Horror für Strandbesucher:innen werden. Wir brauchen sie! Sowohl für das Leben unter wie auch über Wasser und dessen Fortbestand.
Illustrationen: ©Katharina Vlcek
Text: adaptiert und gekürzt aus «Mittelmeer»
Katharina Vlcek ist eine freischaffende Illustratorin und Autorin, die ihre vielseitigen Interessensgebiete in ihren Büchern zusammenbringt. Vlcek studierte Illustration an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg und lebt mit ihrer Familie im Umland Hamburgs.