Pyrenäenwanderer: HauptAutor Dominik Siegrist im Interview

Nachdem im Jahr 2019 «Alpenwanderer» von Dominik Siegrist bei uns im Haupt Verlag erschienen ist, gibt es nun auch ein Lesewanderbuch zu den Pyrenäen, die der Autor zusammen mit Freunden in achtzig Tagen von West nach Ost durchquert hat: «Pyrenäenwanderer». Gemeinsam mit den Alpen ist den Pyrenäen der Charakter als einer der großen Naturräume und eines der wichtigsten Rückzugsgebiete für Tiere und Pflanzen in Europa. Aber anders als die Alpen sind sie bis heute zu großen Teilen durch wilde und einsame Gegenden geprägt.

Im Interview erzählt uns Dominik Siegrist mehr über seine Weitwanderung, die schönsten Stellen und prägendsten Erlebnisse. Und natürlich haben wir ihn auch gefragt, ob bereits eine nächste Tour in Planung ist.

Wie kam es dazu, dass Sie und Ihre Mitwanderenden genau diese Tour machten?
Die Pyrenäen sind das Schwestergebirge der Alpen in Südwesteuropa. Nachdem ich die Alpen bereits kreuz und quer durchwandert hatte, war es ein langgehegter Traum von mir, die Pyrenäen vom Atlantik zum Mittelmeer zu durchqueren. Sie sind unseren Alpen in vielen Belangen ähnlich und dann doch wieder ganz anders: ein faszinierendes Hochgebirge wie die Alpen mit vielen Gipfeln, steilen Pässen und rauen Wegen, mit Alpwirtschaft und Tourismus; aber auch anders: eine einsame Gegend, wo man in gewissen Gebieten tagelang keinem Menschen begegnet und nur den Geiern zuwinkt. Das konkrete Projekt dieser Pyrenäenreise entstand übrigens im Jahre 2017 während meiner letzten Alpendurchquerung im Gespräch mit meinem Kollegen Wolfgang Glaeser, der letztes Jahr zusammen mit Harry Spiess und Urs Schori auch in der Kerngruppe mitwanderte.

Welcher Abschnitt hat Ihnen, landschaftlich, kulturell und menschlich besonders gefallen?
Ich finde es schwer zu sagen, wo in den Pyrenäen es am schönsten ist. In den grünen Vorgebirgen des Baskenlandes mit ihrer ganz eigenen Kultur und Ausstrahlung, obwohl sie kein Hochgebirge sind? Oder in den spektakulären Hochpyrenäen, wo es sogar noch Gletscher gibt? Oder in der alten Kulturlandschaft Kataloniens, die viel Geschichte atmet? Oder sind die interessanten Menschen, am spannendsten die wir eigentlich überall getroffen haben, auf der spanischen und auf der französischen Seite des Pyrenäenkamms. Was mir besonders gut gefallen hat, sind die stillen Wanderungen über hohe Pässe und durch tiefe Täler mit ihren Wäldern. Weniger toll fand ich die abends sehr lauten Hütten, obwohl mir das südeuropäische Temperament sonst eigentlich zusagt.

Welches Erlebnis auf der Wanderung sticht für Sie im Nachhinein besonders heraus?
Wir hatten einige tolle Begegnungen mit Wildtieren: Im französischen Pyrenäen-Nationalpark standen wir plötzlich vor einer Gruppe von Gänsegeiern, die daran waren ein Schaf zu zerlegen. Es muss aber schon tot gewesen seien, denn Geier ernähren sich eigentlich nur von Aas. Im katalanischen Cadí-Massiv wanderten wir einige Stunden ohne Sicht, da tauchte vor uns im Nebel ganz unerwartet eine Herde mit mehreren Dutzend Pyrenäen-Gämsen auf. Der Wind stand für uns günstig und die Tiere entfernten sich nur langsam, so dass wir sie in aller Ruhe beobachten konnten. Schade fand ich, dass wir keinem Bären begegneten, obwohl es in den Pyrenäen viele gibt davon, aber sie sind sehr scheu. Aber das sahen nicht alle Mitwandernden so wie ich.

Im Sommer 2017 sind sie 1800 Kilometer durch die Alpen – von Wien nach Nizza – gewandert. Aus dieser Wanderung ging das ebenfalls im Haupt Verlag erschienene Buch «Alpenwanderer» hervor. Was hat Sie im Vergleich zu dieser Tour an der Pyrenäenwanderung am meisten überrascht?
In den Pyrenäen gibt es noch viel Weidewirtschaft, deutlich mehr als in den Südalpen, das hätte ich so nicht erwartet. In den höheren Lagen weiden in den Sommermonaten vielerorts Rinder, Pferde und Schafe. Vor allem die halbwilden Pferde haben mich beeindruckt, sie leben monatelang ohne Behirtung praktisch in der freien Wildbahn auf den Bergen. Andererseits gibt es viel weniger Bergdörfer als in den Alpen, die Täler sind oberhalb von 1000 bis 1500 m ü.M. kaum besiedelt. Das wirkt sich auf die Übernachtungsmöglichkeiten aus, die in manchen Landstrichen sehr spärlich vorhanden sind. Aber dennoch finden Wandernde, insbesondere auf der spanischen Seite der Pyrenäen, für jeden Abend ein Bett. Was mich auch überrascht hat, ist die gute Erreichbarkeit der Pyrenäen mit dem öffentlichen Verkehr. Viele Einstiegsorte, vor allem auf der französischen Seite, sind mit Bahn uns Bus von der Schweiz aus in einem Tag erreichbar.

Wie und wie lange haben Sie sich auf die Tour vorbereitet? Und was kam trotz guter Vorbereitung anders als erwartet?
Die Vorbereitungen begangen ein Jahr vor dem Start mit der Planung der Wanderetappen und der Reservation der ersten Unterkünfte. Gerade für die Hauptsaison von Ende Juli bis Ende August erwies es sich als nützlich, sich frühzeitig ein Bett zu sichern. Von einigen Hütten hatten wir bis kurz vor dem Start keine Bestätigung, sodass wir unsere Route mehrmals umplanen mussten. Was die Hitze betrifft, vor der ich etwas Angst hatte, war es im Sommer 2023 gar nicht so schlimm. An heißen Tagen blies glücklicherweise immer ein erfrischender Wind. Eigentlich entsprach vieles meinen Erwartungen, außer der Lebensmittelvergiftung, die uns gegen Ende der Wanderung beinahe zum Aufgeben zwang. Glücklicherweise ging diese dann rasch vorüber und wir konnten uns neu organisieren.

Und zum Schluss die Frage: Planen Sie schon die nächste Weitwanderung?
Ja, ich habe ein neues Weitwanderprojekt in Planung, diesmal geht über eine Gebirgskette in Italien. Es wird auch dort wieder viele interessante Geschichten zu erzählen geben zu Themen rund um Natur, Geschichte und Kultur. Mehr möchte ich dazu noch nicht verraten.

Fotos: Dominik Siegrist

Foto: Ralph Feiner

Seit seiner Emeritierung ist der Geograf und Landschaftsplaner Dominik Siegrist als Alpen- und Klimawanderer unterwegs. Zuvor arbeitete er 25 Jahre als Lehrer und Forscher an der Ostschweizer Fachhochschule in Rapperswil. Von 2004 bis 2014 war er Präsident der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA und 2018 bis 2023 Co-Präsident des Vereins Klimaschutz Schweiz. 2017 war er Mitinitiant der thematischen Alpendurchquerung „whatsalp“, 2021 der thematischen Weitwanderung „Klimaspuren“ quer durch die ganze Schweiz.